Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.
Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 17/2021 vom 26.08.2021
Diese Urteilsbesprechung ist Teil des zweiwöchentlich erscheinenden Fachdienstes Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Neben weiteren ausführlichen Besprechungen der entscheidenden aktuellen Urteile im Miet- und Wohnungseigentumsrecht beinhaltet er ergänzende Leitsatzübersichten und einen Überblick über die relevanten neu erschienenen Aufsätze. Zudem informiert er Sie in einem Nachrichtenblock über die wichtigen Entwicklungen in Gesetzgebung und Praxis. Weitere Informationen und eine Schnellbestellmöglichkeit finden Sie unter www.beck-online.de
Sachverhalt
Die Wohnraummieterin verlangt über ein Jahr nach Zugang der Betriebskostenabrechnung von ihrem Vermieter die Rückzahlung gezahlter Betriebskosten mit der Begründung, dass die Betriebskostenabrechnung gegen das Gebot des betriebskostenrechtlichen Wirtschaftlichkeitsgebots verstoße.
Das Amtsgericht wies die Klage der Mieterin ab, da sie die Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB, also binnen eines Jahres ab Zugang der Betriebskostenabrechnung, geltend gemacht habe. Dies führe zum Einwendungsausschluss nach § 556 Abs. 3 Satz 6 BGB. Hiergegen wendet sich die Mieterin mit ihrer Berufung.
Entscheidung
Die Berufung sei gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg habe.
Das Amtsgericht habe die Klage mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Rückzahlung gezahlter Betriebskosten zu, da sie binnen der Frist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB keine Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnungen geltend gemacht habe und daher nach § 556 Abs. 3 S. 6 BGB mit den Einwendungen ausgeschlossen sei. Ebenso wie bei der im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 eingeführten Ausschlussfrist für den Vermieter solle die Frist für den Einwendungsausschluss dem gesetzgeberischen Ziel Rechnung tragen, möglichst zeitnah zur Abrechnungserstellung Klarheit über die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung herbeizuführen. Dieser Befriedungsfunktion werde die Ausschlussfrist nur gerecht, wenn sie auf alle Einwendungen des Mieters bezogen werde, soweit eine formell ordnungsgemäße Abrechnung vorliege. Dies gelte dem Gesetzeszweck entsprechend auch für die Rüge eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Hierfür spreche ferner der weit gefasste Wortlaut des § 556 Abs. 3 S. 5 BGB. Unter „Einwendungen“ sei alles zu verstehen, was der Mieter gegen die Umlage einwende, soweit es in einem Sachzusammenhang mit den konkreten Betriebskostenpositionen stehe.
Praxishinweis
Die Frage, ob die einjährige Einwendungsfrist gem. § 556 Abs. 3 Satz 5 und 6 BGB auch für den vom Mieter behaupteten Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt, ist höchst umstritten (dafür: Drager in BeckOGK,
Der Ansicht des LG Berlin ist zu folgen, da die vom Gesetzgeber gewünschte Befriedungsfunktion durch die Ausschlussfrist nur erreicht werden kann, wenn sie auf alle Einwendungen des Mieters bezogen wird, soweit eine formell ordnungsgemäße Abrechnung vorliegt. Sie gilt daher auch für solche abgerechneten Kosten, die gem. Abs. 1 Satz 1 i.V.m. der BetrKV grds. nicht auf den Mieter umgelegt werden dürfen (BGH, Urteil vom 11.05.2016 – VIII ZR 209/15, NZM 2016, 470).
LG Berlin, Beschluss vom 15.06.2021 - 67 S 61/21 (AG Berlin-Spandau), BeckRS 2021, 18438