Anmerkung von
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Dr. Christian Rathgeber, Mag. rer. publ., Krug Fröba Dominok Rathgeber Rechtsanwälte PartG mbB, Frankfurt a. M.
Aus beck-fachdienst Strafrecht 21/2023 vom 19.10.2023
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Sachverhalt
Am 07.04.2021 gegen 11.01 Uhr wurden auf der öffentlichen Facebookseite der AfD zwei Lichtbilder des Schiffes „Sea-Watch 4“ gepostet, an dessen Bug eine Flagge der Antifaschistischen Aktion gehisst war. Die Bilder wurden betitelt mit den Worten „++ Linksextreme Agenda entlarvt: Antifa-Flagge auf Sea-Watch-Schiff! ++“. […] Diesen Beitrag kommentierte der Angeklagte (A) für jedermann öffentlich einsehbar mit einem sog. GIF. Das GIF zeigt, wie zwei Torpedos von einem U-Boot unter der Wasseroberfläche abgefeuert werden. Dabei wird zunächst nur das U-Boot gezeigt, dann öffnen sich die Mündungsklappen, zwei Torpedos treten aus und hinterlassen eine Spur aus Luftblasen. Die Torpedos verschwinden aus dem Bild. Der Kommentar des A ist etwa der 70. Kommentar unter dem Beitrag der AfD und hat weder weitere Kommentare noch Likes erhalten. Vor dem Kommentar des A finden sich bereits Bilder von Torpedos und U-Booten, teilweise identisch mit dem vom Angeklagten geposteten GIF, teilweise mit Kommentaren wie „Es könnte so einfach sein“ versehen.
Das AG hatte gegen A zunächst einen Strafbefehl wegen der Billigung von Straftaten gem. § 140 Nr. 2 StGB erlassen, ihn nach wirksamem Einspruch mit Urteil vom 07.12.2022 jedoch aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Die StA hat gegen dieses Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt, die das LG verwirft.
Entscheidung
Nach Dafürhalten des LG sind die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit wegen der Billigung einer (zukünftigen) Straftat gem. § 140 Nr. 2 StGB i.V.m. § 126 Abs. 1 Nr. 3, 4 oder 7 StGB nicht erfüllt. Das „Billigen“ einer Tat bedeute deren Gutheißen. Es erfordere dabei die Kundgabe der Zustimmung des Äußernden zur Tat und zwar dergestalt, dass er sich damit moralisch hinter den Täter stelle. Das Tatbestandsmerkmal des Billigens sei dabei nicht zuletzt im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot und den Ultima-ratio-Charakter des Strafrechts restriktiv auszulegen. Tatbestandsmäßig seien dementsprechend nur solche Äußerungen, die „aus sich heraus verständlich“ – unmissverständlich – seien und die „als solche unmittelbar und ohne deuteln“ – eindeutig – erkannt würden, indem die Bezugstat z. B. als praktisch nötig, als moralisch gerechtfertigt oder als sittlich einwandfrei darstellt werde.
Die Auslegung des objektiven Sinngehaltes des von A verwendeten GIF erfülle nicht die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzung der Billigung einer Straftat i.S.v. § 140 Nr. 2 StGB. Es sei zunächst die Katalogtat zu ermitteln, auf die billigend Bezug genommen worden sein könnte. Dabei sei die Bezugnahme auf einen historischen Sachverhalt, der sich unter die Katalogtaten subsumieren lasse, regelmäßig einfacher als die Bestimmung der Bezugstat durch die Auslegung einer Erklärung. Im konkreten Fall: Wäre die Seawatch 4 versenkt worden, wäre nur noch zu klären, wie sich das GIF des A dazu verhalte. Hier sei aber zunächst zu klären, ob sich die Erklärung auf eine – und ggf. auf welche – Katalogtat beziehe. Das GIF selbst zeige nämlich keinen Sachverhalt, der sich unter eine Katalogtat subsumieren ließe. Schon die Frage, ob eine direkte oder metaphorische Bedeutung intendiert sei, müsse vorliegend offenbleiben. Etwas explodieren zu lassen sei eine denkbare Form, um in zugespitzter Art seine Ablehnung auszudrücken (hier: der privaten Seenotrettung), ohne dass damit einer realen Zerstörung oder gar dem Tod von Menschen das Wort geredet werden solle. Auch der kommunikative Kontext, der Sinnzusammenhänge insbesondere zum explodierenden Kriegsschiff (im ersten Kommentar zum Post der AfD) und der späteren Kommentarzeile „Versenken und fertig.“ nahelegt, lasse sich auf diese metaphorische Weise deuten. Ein direkter Bezug zum Tod oder einer Verletzung von Menschen werde in keinem Kommentar erkennbar. Dass sich A im Übrigen mit seinem GIF vorbehaltslos den genannten Kommentaren habe anschließen wollen, sei nicht zwingend. Der dargestellte Ablauf lasse sich alternativ auch in dem Sinne fortsetzen, es solle nur ein Schuss vor den Bug erfolgen oder das angegriffene Schiff unbrauchbar gemacht werden. Dafür, dass A ein reales Tötungsdelikt billigen, sich also moralisch hinter einen Totschläger oder Mörder habe stellen wollen, gebe es keine tragfähigen Anhaltspunkte. Aus der bloßen bildlichen Darstellung lasse sich keineswegs entnehmen und sei auch nicht aus sich heraus verständlich (unmissverständlich und eindeutig!), dass aus Sicht des A ein solches Tötungsdelikt z. B. praktisch nötig, moralisch gerechtfertigt oder sittlich einwandfrei wäre. Auch bei schlüssigem Verhalten gelte, dass eine Billigung unmittelbar aus sich heraus, ohne deuteln, erkennbar sein müsse. Das sei hier nicht der Fall.
Soweit die Billigung nach § 140 Nr. 2 StGB in einer Weise erfolgen muss, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, sei diese Eignung empirischer Feststellung nicht zugänglich. Die bloße Abrufbarkeit jedenfalls reiche für eine Friedensstörung nicht aus. Auch die Stellung als ca. 70. Kommentar in einer Liste von mehreren Hundert Kommentaren lasse die Erkennbarkeit und Maßgeblichkeit des GIF des A deutlich zurücktreten. Schließlich sei die Möglichkeit einer Ausführung oder Nachahmung mit Hilfe der im GIF dargestellten Kriegswaffen praktisch irrelevant. Es sei auszuschließen, dass dieses GIF vom aufgeschlossenen Teil der Öffentlichkeit in der Weise ernst genommen werden könnte, dass hieraus etwa eine Störung des öffentlichen Friedens zu resultieren vermöchte.
Praxishinweis
Schon des Öfteren mussten Gerichte darüber entscheiden, ob untergeordnete digitale Ausdrucksformen im Internet bestimmten Straftatbeständen unterfallen. So wurde etwa thematisiert, ob bereits das Vergeben eines „Likes“ strafbar sein kann (vgl. nur LG Meiningen BeckRS 2022, 20903). In der vorliegenden Entscheidung ist das Gericht der allzu weitgehenden Auffassung der StA zu Recht nicht gefolgt. Es erscheint schwierig, das Einstellen des „U-Boot-GIF“ unter dem Aspekt des Billigens einer zukünftigen Straftat § 140 Nr. 2 StGB i.V.m. § 126 Abs. 1 StGB zu betrachten. Denn offenbar waren in dem ursprünglichen Beitrag keine Straftaten angekündigt worden. Somit könnte eine solche Androhung (theoretisch) entweder in dem Beitrag des A selbst erblickt werden (dann könnte dieser aber nicht zugleich sich selbst billigen) oder in einem vorausgehenden Beitrag eines anderen Nutzers. Insofern sollte stets sauber differenziert werden zwischen Beiträgen, die sich auf den ursprünglichen Beitrag beziehen und solchen, die die Beiträge anderer Nutzer kommentieren. Insofern hätte ggf. die Prüfung auf eine Strafbarkeit gem. § 111 Abs. 1, 2 StGB sogar näher gelegen. Auch eine solche wäre aber im Ergebnis abzulehnen gewesen.
LG Freiburg, Urteil vom 21.06.2023 - 17/23 17 NBs 455 Js 36127/21 (AG Emmendingen), BeckRS 2023, 25728