Urteilsanalyse
Einspruch per E-Mail (regelmäßig) nicht formgerecht
Urteilsanalyse
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Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann nach einem Beschluss des Oberlandesgericht Karlsruhe nicht mittels einfacher E-Mail eingelegt werden.

24. Mrz 2023

Anmerkung von Rechtsanwalt David Püschel, Ignor & Partner GbR, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Strafrecht 06/2023 vom 23.03.2023

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Sachverhalt

Das Regierungspräsidium setzte mit Bußgeldbescheid vom 15.2.2022 gegen den Betroffenen (B) wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 67 km/h eine Geldbuße in Höhe von 650 EUR und ein Fahrverbot von zwei Monaten fest. Mit dem angefochtenen Urteil vom 30.9.2022 sprach das AG den B frei. Dazu führte, dass bei dem Geschwindigkeitsmessgerät vom Typ LTI 20/20 TruSpeed, mit dem die Messung erfolgte, in der Bedienungsanleitung vorgegeben ist, das Datum der Konformitätsbewertung in das Messprotokoll aufzunehmen. Da das Messprotokoll vorliegend nur das Datum der Konformitätserklärung enthielt, kam der Tatrichter zu dem Ergebnis, dass mangels Einhaltung der Vorgaben der Bedienungsanleitung das Messergebnis nicht aufgrund eines standardisierten Messverfahrens ermittelt worden sei. Mangels Speicherung der Rohmessdaten sei auch keine weitere Überprüfung des Messergebnisses möglich. Hiergegen wendete sich die Staatsanwaltschaft mit der frist- und formgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht und des sachlichen Rechts gerügt wird. Die GenStA beantragte mit Antragsschrift vom 19.1.2023, das Urteil aufzuheben und den Einspruch des B gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig zu verwerfen. Der B gab dazu am 8.2.2023 eine Gegenerklärung ab.

Entscheidung

Dem Antrag der GenStA entsprechend sei auf die Rechtsbeschwerde das Urteil aufzuheben und der Einspruch des B gegen den Bußgeldbescheid vom 15.2.2022 als unzulässig zu verwerfen, weil dem Erlass eines Sachurteils durch das AG ein Verfahrenshindernis entgegengestanden habe.

Die GenStA habe dazu in ihrer Antragsschrift zutreffend ausgeführt (hier ohne Fundstellen wiedergegeben):

„Das AG hat – wie zuvor die Verwaltungsbehörde – übersehen, dass gegen den Bußgeldbescheid vom 15.02.2022 ein wirksamer Einspruch nicht eingelegt ist. Die eingetretene Rechtskraft des Bescheids stellt ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis dar, das neben der Aufhebung des Urteils gemäß § 79 Abs. 6 Satz 1 OWiG die Verwerfung des Einspruchs als unzulässig durch das Rechtsbeschwerdegericht erfordert. Der Bußgeldbescheid vom 15.2.2022 wurde dem B am 18.2.2022 gemäß §§ 51 Abs. 1 OWiG, 3 Abs. 2 Satz 1 LVwZG, 180 ZPO durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt. Die zweiwöchige Einspruchsfrist nach § 67 Abs. 1 Satz 1 OWiG endete gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 43 Abs. 1 StPO folglich an einem Freitag, dem 4.3.2022. Der B übermittelte sein unterschriebenes und eingescanntes Einspruchsschreiben vom 3.3.2022 am selben Tag von seinem E-Mail-Konto @bb-walder.de als Anhang einer E-Mail um 13:03:57 und nochmals um 13:05:18 „vorab“ zur Kenntnis an die Zentrale Bußgeldstelle des Regierungspräsidiums Karlsruhe. Der mittels Anhang einer einfachen E-Mail übersandte Einspruch ist jedoch formunwirksam, da er – mangels Verkörperung – weder schriftlich noch zur Niederschrift der Bußgeldbehörde eingelegt worden ist, aber auch der elektronischen Form gemäß §§ 110c S. 1 OWiG, 32a StPO nicht genügt. Gemäß § 32a Abs. 3 StPO muss ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 32a Abs. 4 StPO eingereicht werden. Die elektronischen Eingaben des B weisen jedoch weder eine qualifizierte elektronische Signatur auf noch wurden sie auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht. Zwar reichte der B seine Einspruchsschrift per Einschreiben auch noch schriftlich ein. Dieses Schreiben ging jedoch erst am 5.3.2022 – und damit einen Tag zu spät – bei der Bußgeldbehörde ein. Zwar kann auch ein Ausdruck des Anhangs einer einfachen E-Mail dem so eingelegten Einspruch noch zur Wirksamkeit verhelfen. Das als E-Mail-Anhang übersandte Einspruchsschreiben wurde behördlicherseits jedoch erst am 28.4.2022 zum Zwecke der Gewährung von Akteneinsicht ausgedruckt. Zu diesem Zeitpunkt war die Einspruchsfrist bereits abgelaufen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass von einer stillschweigenden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch die Verwaltungsbehörde vorliegend nicht ausgegangen werden kann, da diese die Verspätung des Einspruchs nach Aktenlage schlicht übersehen hat. Für eine Wiedereinsetzung bestand und besteht auch kein Anlass, da der B im Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle umfassend und zutreffend belehrt wurde. Indem er seine Einspruchsschrift auch noch schriftlich einreichte, gab der B zu erkennen, dass er diese Belehrung auch verstanden hat und selbst noch nicht von einem wirksamen Einspruch ausging. Soweit zum Teil erwogen wird, der Einspruch sei zulässig oder es sei jedenfalls dann Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn die Behörde auf ihrem Bescheid eine E-Mail-Adresse angibt, ohne diesen Kommunikationsweg auszuschließen, kann dies jedenfalls im vorliegenden Fall nicht gelten. Im Briefkopf der Zentralen Bußgeldstelle sind zwei E-Mail-Adressen genannt, eine gewöhnliche sowie eine De-Mail-Adresse. Zudem enthält der Bußgeldbescheid unter der Rubrik „Telefonische Sprechzeiten“ den Hinweis: „Rechtsmittel per poststelle@.@im.bwl.de-mail.de sind zulässig.“ Hieraus ergibt sich im Zusammenspiel mit der Rechtsbehelfsbelehrung eindeutig, dass Rechtsmittel, die mit gewöhnlicher E-Mail erhoben werden, nicht zulässig sind.“

Dem schließe sich der Senat an. Durch die in der Gegenerklärung des B gemachten Ausführungen siehe sich der Senat zu der ergänzenden Bemerkung veranlasst, dass die Nichtbeachtung der gesetzlichen Formvorschriften, die bei der Einreichung eines Rechtsmittels als elektronisches Dokument zu beachten sind, die Unwirksamkeit der Erklärung in dieser Form zur Folge hat. Soweit durch den Ausdruck eines nicht formgerecht übermittelten elektronischen Dokuments die Schriftform gewahrt sein kann, werde die Frist aber nur gewahrt, wenn das Dokument innerhalb der Rechtsmittelfrist ausgedruckt und zur Akte genommen wird. Letzteres sei – wie die Bußgeldbehörde auf Nachfrage des Senats ausdrücklich bestätigt habe – vorliegend nicht der Fall gewesen.

Praxishinweis

Dass der Ausdruck des Anhangs einer einfachen E-Mail dem so eingelegten Einspruch zur Wirksamkeit verhelfen kann, verdeutlicht die Widersinnigkeit der Vorschriften über die Einspruchseinlegung. Insbesondere wird der Übermittlungsweg durch den Ausdruck nicht rückwirkend sicher. Was davon zu halten ist, dass es in der Hand der Behörde liegt, ob und wann sie einen Ausdruck fertigt, bedarf keiner Vertiefung. Auch im Hinblick auf die Wiedereinsetzung fällt die Entscheidung durchweg betroffenenunfreundlich aus. Dort heißt es etwa, für eine Wiedereinsetzung habe kein Anlass bestanden, da der Betroffene zutreffend belehrt wurde. Tatsächlich kommen auch bei richtiger Rechtsbehelfsbelehrung zahlreiche Wiedereinsetzungsgründe in Betracht. Das Argument, der Beschwerdeführer habe gewusst, dass sein Einspruch noch nicht wirksam sei, weil er ihn nach der E-Mail-vorab-Versendung auch per Post eingereicht habe, ist denkbar schwach. Die vorab-Versendung auf einem Weg, der schneller ist als der Postweg, ist mehr als üblich und geht sicher nicht mir der Annahme einher, dass nur der Postweg zulässig sei. Im Gegenteil: Bei dieser Annahme könnte man sich die vorab-Versendung sparen. Gerade wegen der knappen Fristversäumnis hätte es, jedenfalls beim geringsten Anzeichen dafür, dass diese unverschuldet war, nahegelegen, ohne Antrag Wiedereinsetzung zu gewähren (vgl. KK-StPO/Schneider-Glockzin, § 45 Rn. 16 f.).

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.02.2023 - 2 ORbs 35 Ss 4/23, BeckRS 2023, 3496