Urteilsanalyse
Einreichung von Wahlvorschlägen für die Betriebsratswahl am letzten Tag der Einreichungsfrist
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Ist in dem Wahlausschreiben für eine Betriebsratswahl keine Uhrzeit angegeben, bis zu der am letzten Tag der zweiwöchigen Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen der Zugang von Vorschlagslisten beim Wahlvorstand bewirkt werden kann, dürfen die wahlberechtigten Arbeitnehmer nach Ansicht des BAG davon ausgehen, dass der Wahlvorstand Vorkehrungen dafür trifft, bis 24:00 Uhr von eingereichten Vorstandslisten Kenntnis nehmen zu können.

31. Aug 2021

Anmerkung von
RA Prof. Dr. Christian Arnold, LL.M. (Yale), Gleiss Lutz, Stuttgart

Aus beck-fachdienst Arbeitsrecht 34/2021 vom 26.08.2021

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Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl. Am 06.09.2018 fand bei der Arbeitgeberin eine Betriebsratswahl statt. Im Wahlausschreiben vom 04.07.2018 erklärte der Wahlvorstand, dass Wahlvorschläge innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens, also bis zum 18.07.2018 einzureichen seien. Nähere Angaben zur Uhrzeit enthielt das Wahlausschreiben nicht. Im Betrieb ist üblicherweise nach 19:00 Uhr kein Arbeitnehmer mehr anwesend. Mit Schreiben vom 19.07.2018 wies der Wahlvorstand die Liste „für dich & P“ als ungültig zurück, da sie verspätet eingereicht worden sei. Der Wahlvorstand habe erst am 19.07.2018 die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Liste gehabt. Die Antragstellerin, eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft, behauptet, die Vorschlagsliste „für dich & P“ sei am 18.07.2018 gegen 22:00 Uhr von zwei Wahlberechtigten in den Briefkasten an der im Wahlausschreiben angegebenen Anschrift eingelegt worden, nachdem zuvor der Wahlvorstand nicht mehr angetroffen worden sei. Das ArbG hat dem Antrag stattgegeben, das LAG hat ihn zurückgewiesen.

Entscheidung

Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hatte Erfolg. Das BAG weist die Sache an das LAG zurück.

Nach Auffassung des BAG ist die Annahme des LAG, der Wahlvorstand habe die Vorschlagsliste „für dich & P“ zu Recht für ungültig gehalten, da diese nicht fristgerecht eingereicht worden sei, nicht frei von Rechtsfehlern. Falls die Vorschlagsliste am 18.07.2018 vor 24:00 Uhr unter der vom Wahlvorstand angegebenen Anschrift in den Briefkasten eingelegt worden sei, sei sie rechtzeitig eingegangen. Für die Einreichung von Vorschlagslisten gelte nach § 6 I 2 WO eine Frist von zwei Wochen. Deren Berechnung richte sich nach §§ 186 bis 193 BGB. Damit ende die Frist mit Ablauf des Tags der letzten Woche, welche durch seine Benennung dem Tag entspreche, an dem das Wahlausschreiben erlassen wurde. Allerdings erlaube das BAG dem Wahlvorstand, die Einreichung von Wahlvorschlägen am letzten Tag auf das Ende der Arbeitszeit im Betrieb oder auf das Ende der Dienststunden des Wahlvorstands zu begrenzen, wenn dieser Zeitpunkt nicht vor dem Ende der Arbeitszeit der Mehrheit der Arbeitnehmer liege. Gebe der Wahlvorstand in dem Wahlausschreiben jedoch keine Uhrzeit an, bis zu der am letzten Tag der Zugang von Vorschlagslisten bei ihm bewirkt werden könne, dürften die zur Einreichung von Wahlvorschlägen Berechtigten davon ausgehen, dass der Wahlvorstand Vorkehrungen treffe, die eine Einreichung von Wahlvorschlägen bis 24:00 Uhr zuließen. Das LAG habe daher aufzuklären, ob der streitige Einwurf der Vorschlagsliste am 18.07.2018 um 22:00 Uhr stattgefunden habe.

Praxishinweis

Das BAG konkretisiert seine Rspr. zur Einreichung von Wahlvorschlägen am letzten Tag der zweiwöchigen Einreichungsfrist. 2018 hatte der 7. Senat klargestellt, dass der Wahlvorstand nicht gezwungen ist, am letzten Tag der Einreichungsfrist Wahlvorschläge bis 24:00 Uhr zu akzeptieren (BAG, FD-ArbR 2018, 406703). Vielmehr kann er im Wahlausschreiben ausdrückliche Regelungen über die Uhrzeit für die Einreichung von Wahlvorschlägen am letzten Tag treffen. In diesem Fall sei vom Wahlvorstand nicht zu erwarten, dass er sich noch bis 24:00 Uhr im Betrieb aufhalte, um einen Zugang von Wahlvorschlägen zu ermöglichen.

Nach der vorliegenden Entscheidung ist die Rechtslage genau umgekehrt zu beurteilen, wenn der Wahlvorstand keine Uhrzeit angibt. In diesem Fall reicht der Einwurf in den Briefkasten des Wahlvorstands vor 24:00 Uhr aus. Der Wahlvorstand ist also gehalten, im Wahlausschreiben bei der Einreichung von Wahlvorschlägen am letzten Tag durch Angabe einer – zulässigen – Uhrzeit für klare Verhältnisse zu sorgen.

BAG, Beschluss vom 28.04.2021 - 7 ABR 10/20 (LAG München), BeckRS 2021, 20366