Den Spaltervorwurf erhob nicht wörtlich, aber sinngemäß ein ehemaliger Vizepräsident des DAV in einem Editorial im Anwaltsblatt. Der Vorwurf richtete sich gegen „einige Wirtschaftskanzleien“, die verrückt spielten, weil sie BRAK und DAV durch Gründung des Bundesverbands der Wirtschaftskanzleien in Deutschland (BWD) mit einem neuen Interessenverband konfrontieren würden. Wenn überhaupt, dann sei der DAV der Anwalt der Anwälte. Dieser habe daher ein „Forum für Wirtschaftskanzleien“ ins Leben gerufen, um diesen Kollegen eine stärkere Repräsentation im Verband zu ermöglichen. Denn die Gründung des BWD bedeute nur, dass die Politik künftig nach dem Prinzip „teile und herrsche“ verfahren könne. Spaltung eben.
Der BWD hatte sich Ende März gegründet, mit 31 Mitgliedskanzleien unterschiedlicher Größe und Ausrichtung. Nach eigenen Angaben erwirtschaften die Mitglieder jährlich gut 2 Mrd. Euro mit 17.000 Mitarbeitern, darunter fast 4.900 Anwältinnen und Anwälte. Angesichts aller zugelassenen Anwälte ein geringer Prozentsatz, auch bezogen auf die ca. 61.000 Mitglieder im DAV. Aber: Würden alle diese Kollegen sich in einer DAV-Arbeitsgemeinschaft verbinden, wären sie auf einen Schlag die drittgrößte, nach Familienrecht und Verkehrsrecht und deutlich vor dem Arbeitsrecht. Zu sagen hätten sie dort allerdings nichts, so wie alle anderen Arbeitsgemeinschaften auch.
Richtig ist, dass die BRAO-Reform auf den DAV (und Martin Henssler) zurückgeht und damit das Wunder geschafft wurde, für alle Anwaltsgesellschaften, von der Zweier-GbR bis zur Großkanzlei, ein vernünftiges Regelwerk zu schaffen. Das macht so schnell niemand nach. Aber man darf nicht übersehen, dass es etwa mit dem Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) und dem Legal Tech Verband weitere Interessenvertretungen gibt, wenn auch mit deutlich weniger Mitgliedern als im DAV. Da war von Spaltung nie die Rede. Der BUJ hatte beispielsweise in der Reformdiskussion sehr effektiv die Belange der Syndizi wahrgenommen, gegen die Auffassung des DAV. Die BRAK ist als Dachverband der örtlichen Kammern ohnehin ein Sonderfall, die Frage des berufspolitischen Mandats der Kammern ist ein weites Feld.
Gibt es die Einheit der Anwaltschaft? Nach den Erhebungen des Soldan-Instituts etwa aktuell zum Fremdkapital darf man zweifeln – es gibt deutliche Unterschiede zwischen jung und alt, groß und klein. Bei den zentral wichtigen Zukunftsfragen der Anwaltschaft – Digitalisierung, Fremdkapital, Anwaltsmonopol, Spezialisierung, Rechtsrahmen für Legal Tech – gibt es teilweise stark divergierende Auffassungen. Diese suchen sich Interessensvertreter, nicht umgekehrt.
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