Die TK-Verkehrsdatenspeicherung stellt einen gewichtigen Grundrechtseingriff dar; gewichtig sind freilich auch ihre Ziele, schwere Straftaten aufzuklären und schwere Gefahren abzuwehren. Vor diesem Hintergrund hat das BVerfG im Urteil vom 2.3.2010 (NJW 2010, 833) diese Maßnahme – wenn auch nicht die frühere gesetzliche Regelung – für prinzipiell mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt, gleichzeitig aber strikte Anforderungen formuliert. Gleichwohl hängt das Damoklesschwert der Unions(grund)rechtswidrigkeit über der Vorratsdatenspeicherung und damit auch über der Ende 2015 verabschiedeten, 2017 vom OVG Münster (NVwZ-RR 2018, 43) vorläufig suspendierten Novelle des deutschen Gesetzgebers. Denn der EuGH hat verschiedentlich Regelungen für unionsrechtswidrig erklärt. Die bislang noch nicht verbindlich geklärte Frage war, ob die Vorratsdatenspeicherung generell dem Verdikt der Unionsrechtswidrigkeit anheimfällt oder ob weniger eingriffsintensiv als die beanstandeten Regelungen ausgestaltete Modelle denkbar sind (Wollenschläger, NJW 2018, 2532).
Hier setzt das Urteil des EuGH vom 6.10.2020 (C-511/18 u.a.; englische Fassung BeckRS 2020, 25511) an, das eine der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens mit der Formel eines „victorius defeat“ auf den Punkt gebracht hat (noch offen die Vorlage des BVerwG, Beschl. 25.9.2019 – 6 C 13/18, BeckRS 2019, 26126). Der Gerichtshof hat nämlich, anders als teils erwartet, kein absolutes Verbot, sondern ein Stufenmodell vorgegeben. Er hat einerseits seine strenge Linie fortgeführt und eine generelle und unterschiedslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten für unionsrechtswidrig erklärt. Denn sie treffe jeden Nutzer verdachtsunabhängig, und aussagekräftige Daten über das Leben des Einzelnen stünden infrage, womit ein Abschreckungseffekt für die Ausübung grundrechtlicher Freiheiten drohe; auch bestünden Missbrauchsgefahren. Das Argument, die Eingriffsschärfe resultiere primär aus der staatlichen Zugriffsmöglichkeit auf diese Daten, so dass Belastungsintensität und Rechtfertigungsfähigkeit maßgeblich von den Voraussetzungen des Datenabrufs abhingen, teilt der EuGH damit nicht. Andererseits hat er mit Blick auf das Gewicht der verfolgten Ziele bedeutsame, an materielle und prozedurale Kautelen geknüpfte und teils noch konkretisierungsbedürftige Ausnahmen formuliert. Diese umfassen etwa generell IP-Adressen, ferner nach Feststellung einer ernsten Störung oder Gefährdung der nationalen Sicherheit (einschließlich Terrorismus) generell Standort- und Verkehrsdaten und schließlich ebensolche Daten auch bei räumlicher oder zeitlicher Nähe des Betroffenen zu schweren Straftaten oder Gefahren.
Der Ball liegt daher wieder beim Gesetzgeber. Dieser muss rechtspolitisch entscheiden, ob und inwieweit er die verfassungs- und unionsrechtlich bestehenden Regelungsmöglichkeiten ausschöpft. •