Urteilsanalyse
Eine Mietzahlung unter Vorbehalt ist keine konkludente Zustimmung zur begehrten Mieterhöhung
Urteilsanalyse
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Leistet der Mieter nach Zugang eines auf § 558 BGB gestützten Mieterhöhungsverlangens die erhöhte Miete "unter Vorbehalt", liegt darin nach einem Beschluss des LG Berlin vom 25.06.2020 regelmäßig keine konkludente Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung.

1. Sep 2020

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff
Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 16/2020 vom 27.08.2020

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Sachverhalt

Der Beklagte mietete mit Vertrag vom 24.04.1990 die später vom Kläger erworbene Wohnung an.

Der Kläger forderte am 14.06.2019 den Beklagten auf, einer Mieterhöhung zuzustimmen und nahm zur Begründung auf den Mietspiegel Bezug. Der auf Zustimmung gerichteten Klage hat der Beklagte entgegengehalten, dass er die erhöhte Miete nach Maßgabe des Erhöhungsverlangens bezahlt habe.

Erstinstanzlich hat der Beklagte vorgetragen, dass ihm nach der Neuvermessung der Wohnung nie ausdrücklich dessen Ergebnis mitgeteilt worden sei. Er habe deshalb seit Jahren die Miete immer unter Vorbehalt gezahlt. Auch seine Untermieterin, die einen Teil der Miete direkt an den Kläger überweise, habe dies getan. Eine ausdrückliche Zustimmung zu dem Erhöhungsverlangen habe er aber nicht erteilen wollen.

Das Amtsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. In der von ihm eingelegten Berufung meint der Beklagte, die Klage sei unbegründet, da in der jahrelangen, unter Vorbehalt gezahlten Miete eine konkludente Zustimmung zur Mieterhöhung gelegen habe.

Entscheidung

Mit Hinweisbeschluss teilt das LG Berlin mit, dass es beabsichtige, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung habe das Amtsgericht entschieden, dass weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Zustimmung des Beklagten zum Mieterhöhungsverlangen vorliege. Aus den erfolgten Zahlungen der erhöhten Miete lasse sich vorliegend aufgrund des erklärten Vorbehalts keine konkludente Zustimmung entnehmen, auch wenn die Mietzahlungen bereits zuvor über einen längeren Zeitraum unter Vorbehalt erfolgten. Im Fall eines Mieterhöhungsverlangens sei maßgebend, ob ein objektiver Empfänger, der den Inhalt des Angebots des Vermieters auf Erhöhung der Miete und alle sonstigen Umstände kenne, aus dem Verhalten des Mieters den Schluss auf einen Rechtsbindungswillen und damit auf die Zustimmung zur Mieterhöhung ziehen würde. Dies sei hier aufgrund des - in keiner Weise eingeschränkten - Vorbehalts nicht der Fall. Der Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2020 außerdem ausdrücklich erklärt, dass er mit der Zahlung der erhöhten Miete unter Vorbehalt keine Zustimmung zu dem Erhöhungsverlangen erteilen wollte.

Das erst am 23.02.2020 in Kraft getretene Gesetz über den „Mietendeckel“ (MietenWoG Bln) stehe dem klägerischen Anspruch nicht entgegen. Die Klägerin habe formwirksam und fristgerecht den Anspruch auf Erhöhung der Miete geltend gemacht, dem sich der Beklagte nach den geltenden Gesetzen nicht mehr entziehen könne, und zwar zu einem Zeitpunkt, der nicht nur lange vor Inkrafttreten des Gesetzes gelegen habe, sondern auch vor dem Stichtag des 18.06.2019, an dem Eckpunkte des Gesetzesvorhabens bekannt gemacht worden seien. Eine solche echte Rückwirkung habe aber der Berliner Landesgesetzgeber, schon wegen des allein daraus fließenden zusätzlichen Risikos, dass das Gesetz einer verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht standhalten werde, ganz sicher nicht beabsichtigt. Vielmehr habe der Landesgesetzgeber nur nach dem „Stichtag“ ausgebrachten Mieterhöhungsverlangen entgegen wirken wollen, ohne bereits erworbene Eigentumspositionen zu entziehen oder in schon zu deren Durchsetzung laufende Gerichtsverfahren einzugreifen.

Praxishinweis

Das LG Berlin folgt der bisherigen st. BGH-Rechtsprechung (zuletzt Beschluss vom 30.01.2018 - VIII ZB 74/16 - Rn. 20, NJW-RR 2018, 524), wonach die Bewertung einer Zahlung als konkludente Zustimmung voraussetzt, dass der objektive Empfänger, der den Inhalt des Angebots des Vermieters auf Erhöhung der Miete und alle sonstigen Umstände kennt, aus dem Verhalten des Mieters den Schluss auf einen Rechtsbindungswillen und damit auf die Zustimmung zur Mieterhöhung ziehen würde. Ob das Verhalten als konkludente Willenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, die nicht schematisch erfolgten darf, sondern von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt. Zahlt der Mieter unter Vorbehalt oder unter einer Bedingung, gibt er zu erkennen, dass er sich nicht zur Zahlung verpflichtet fühlt bzw. sich eine Rückforderung vorbehält und somit sein Wille nicht auf eine Zustimmung gerichtet ist (Börstinghaus in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Auflage 2019, § 558b BGB Rn. 30; Fleindl in BeckOGK, 01.07.2020 , § 558b BGB Rn 7).

Das LG Berlin folgt auch der BGH-Entscheidung (Urteil vom 29.04.2020 - VIII ZR 355/18, BeckRS 2020, 11011, besprochen in FD-MietR 2020, 430229), wonach nach seinem Sinn und Zweck § 3 Abs. 1 BlnMietenWoG dahin auszulegen sei, dass von dem darin geregelten Verbot (jedenfalls) gerichtliche Mieterhöhungsverfahren nicht erfasst seien, in denen der Vermieter einen Anspruch auf Erhöhung der Miete zu einem vor dem Stichtag liegenden Zeitpunkt verfolgt.

LG Berlin, Beschluss vom 25.06.2020 - 64 S 95/20 (AG Berlin-Charlottenburg), BeckRS 2020, 18379