NJW-Editorial
Eine findige Behörde
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Bankenaufsicht macht Druck: Geld zurück für Bankkunden“, titelte kürzlich die FAZ. Die Schlagzeile wird den Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), nach Wirecard und Greensill, gefreut haben, Fehler werden in der öffentlichen Wahrnehmung selten als systemimmanent akzeptiert. Auch Fälle wie jene beiden lassen sich in einem freiheitlichen Wirtschaftssystem nicht völlig verhindern. Statt zu analysieren, werden schnell neue Regelungen oder Gesetze geschaffen, um künftig alles besser zu machen.

11. Nov 2021

Es wird die Erwartungshaltung erweckt, die Exekutive hätte alles im Griff, statt Verbrauchern, Kämmerern und auch professionellen Anlegern gelegentlich ein „Trau, schau, wem“ zuzurufen. So ist die BaFin seit 2015 „innerhalb ihres gesetzlichen Auftrags auch dem Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen verpflichtet“. Sie kann „alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um verbraucherschutzrelevante Missstände zu verhindern oder zu beseitigen, wenn eine generelle Klärung im Interesse des Verbraucherschutzes geboten erscheint“. Der tatsächliche Regelungsgehalt des § 4 I a FinDAG ist umstritten.

Die BaFin hat die Norm, wie jene Schlagzeile zeigt, entdeckt. Erster Streich war die Allgemeinverfügung wegen der Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklauseln in historischen Prämiensparverträgen. Die Maßnahme hat über 1.100 Einsprüche provoziert. Der zweite Streich die sogenannte Aufsichtsmitteilung nebst Presseerklärung der Behörde (NJW-aktuell H. 45/2021, 7) zu ihrer Erwartungshaltung mit Blick auf die Umsetzung des aktuellen BGH-Urteils, das die Unwirksamkeit der AGB-Zustimmungsfiktion zu Vertragsänderungen betrifft (NJW 2021, 2273). Es bestehen Zweifel, ob die Maßnahmen verhältnismäßig und erforderlich sind. Mit den aufgegriffenen Rechtsfragen sind Verbraucherschutzverbände und Zivilgerichte befasst. Wie die Zinsberechnung bei den Prämiensparverträgen jetzt zu erfolgen hat, ist durch die zuständigen Gerichte noch nicht entschieden. Ebenso wenig steht fest, dass alle in der Vergangenheit vorgenommenen Vertragsänderungen und Gebührenanpassungen unwirksam sind und ob bzw. welchen Kunden Erstattungsansprüche zustehen.

Mit ihren Maßnahmen greift die BaFin in das Gefüge des deutschen Zivil- und Zivilprozessrechts ein, das die Parteien in ihren Beziehungen grundsätzlich als gleichberechtigt und selbstbestimmt voraussetzt. In beiden Fällen versucht sie durch Verwaltungshandeln umfangreiche kosten- und arbeitsintensive Informationspflichten zu begründen, die keine erkennbare zivilrechtliche Grundlage haben. Die Behörde läuft außerdem Gefahr, durch ihr Handeln nicht abgeschlossene Rechtsentwicklungen vorwegzunehmen oder zu behindern. Der Blick zurück zeigt: Auch der BGH braucht häufig mehrere Anläufe, um neu gewonnene Rechtserkenntnisse abzurunden oder gelegentlich sogar wieder aufzugeben.

Rechtsanwalt Peter Lindt ist Partner bei Clouth & Partner in Frankfurt a.M..