Auf Initiative von Nordrhein-Westfalen stand die Kodifizierung des Unternehmenskaufs auf der Tagesordnung der Herbsttagung der Justizministerkonferenz. Die Runde kam zu einem Befund, der viele M&A-Praktiker überraschen dürfte: „Weder im BGB noch im HGB existieren Normen, die eine verlässliche Grundlage für Fusionen und Übernahmen bilden. Die entsprechend anwendbaren Vorschriften des Sachkaufs werden in der Praxis häufig als untauglich empfunden und abbedungen und durch komplexe Vertragswerke ersetzt. Streitigkeiten werden in privaten Schiedsverfahren beigelegt und erreichen selten die staatlichen Gerichte. Der bisherige Verzicht des Gesetzgebers auf eine grundlegende Regelung des Unternehmenskaufs führt zu Rechtsunsicherheit.“
Die JuMiKo glaubt, dass eine Kodifikation des Rechts des Unternehmenskaufs die Rechtssicherheit erhöhen und die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland steigern könne. Auch würden die Anstrengungen der Justiz ergänzt, mit den neuen „Commercial Courts“ an die Schiedsgerichte verlorenes Terrain wiederzugewinnen. Eine Arbeitsgruppe soll nun den genauen Regelungsbedarf ermitteln und Vorschläge erarbeiten. Die Annahme, dass die fehlende Kodifikation zu Rechtsunsicherheit führe, wird nicht näher hergeleitet. Die meisten M&A-Praktiker würden diese, so vermute ich, nicht teilen. Es ist zu wünschen, dass die Arbeitsgruppe dazu Rechtstatsachen erhebt und ihren Befund empirisch absichert.
Die „komplexen Vertragswerke“ sind nicht Selbstzweck, sondern spiegeln die Komplexität des Kaufgegenstands. Die Kautelarpraxis hat internationalen Standards folgende, ausdifferenzierte Muster entwickelt. Diese sind flexibel und können die Besonderheiten des verkauften Unternehmens ebenso abbilden wie neu entwickelte Transaktionsstrukturen. In internationalen M&A-Transaktionen steht deutsches Sachrecht im Wettbewerb zu den „common law“-Rechtsordnungen Englands und der USA. Auf dieser Ebene besteht die Gefahr, dass eine Kodifizierung des Rechts des Unternehmenskaufs als ein Verlust an Flexibilität bei der Vertragsgestaltung und deutscher „Sonderweg“ wahrgenommen wird – und somit als Wettbewerbsnachteil des deutschen Rechts. Schließlich vermengt die JuMiKo in ihrer Argumentation zwei Ebenen, die materiellrechtlichen Regeln für den Unternehmenskauf einerseits und die Rückgewinnung von M&A-Streitigkeiten durch die „Commercial Courts“ andererseits. Ein neuer Unternehmenskauf-Kodex wäre von staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten gleichermaßen anzuwenden. Er dürfte das Wettbewerbsverhältnis zwischen Gericht und Schiedsgericht daher nicht beeinflussen.
Im M&A-Kontext sei ein Anglizismus verziehen: „If it ain’t broke, don’t fix it.“ Die Beweislast, dass es eines Eingreifens des Gesetzgebers bedarf, liegt bei ihm.
Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt.