NJW-Editorial

Ein Os­ter­pa­ket fürs Klima
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Nach dem Wil­len der Bun­des­re­gie­rung sol­len bis 2030 80 Pro­zent der Strom­erzeu­gung er­neu­er­bar sein. Hier­zu hat Bun­des­wirt­schafts­mi­nis­ter Ro­bert Ha­beck (Bünd­nis 90/Die Grü­nen) die ers­ten Vor­schlä­ge („Os­ter­pa­ket“) vor­ge­legt. Sie sehen Re­ge­lun­gen in den Be­rei­chen En­er­gie­recht, Wind­ener­gie auf See und Netz­aus­bau vor. 

27. Apr 2022

Zen­tra­le Be­deu­tung hat der neue § 2 S. 1 EEG. Da­nach sind An­la­gen zur Er­zeu­gung er­neu­er­ba­rer En­er­gi­en im „über­ra­gen­den öf­fent­li­chen In­ter­es­se“ und die­nen zudem der öf­fent­li­chen Si­cher­heit. Hier­durch sol­len sie im Rah­men von Ab­wä­gungs­ent­schei­dun­gen – und nicht nur im En­er­gie­recht – unter an­de­rem ge­gen­über Ra­dar­an­la­gen, Was­ser­schutz­ge­bie­ten, dem Land­schafts­bild, Denk­mal­schutz oder im Forst-, Im­mis­si­ons­schutz-, Na­tur­schutz, Bau- oder Stra­ßen­recht nur in Aus­nahmefällen über­wun­den wer­den kön­nen.

Mit 38,7 % ist der wich­tigs­te er­neu­er­ba­re En­er­gie­trä­ger wei­ter­hin die Wind­ener­gie an Land. In­so­weit hat die Bun­des­re­gie­rung er­klärt, dass der Abbau der hier­bei be­stehen­den we­sent­li­chen Hemm­nis­se nicht im EEG er­fol­gen kann, son­dern Ge­gen­stand wei­te­rer Ge­setz­ent­wür­fe („Som­mer­pa­ket“) wer­den wird. Mit dem Eck­punk­te­pa­pier „Be­schleu­ni­gung des na­tur­ver­träg­li­chen Aus­baus der Wind­ener­gie an Land“ vom 4.4.2022 haben BMUV und BMWK hier­zu wich­ti­ge erste Vor­schlä­ge vor­ge­legt. Damit wird dem Um­stand Rech­nung ge­tra­gen, dass bis­he­ri­ge Ver­zö­ge­run­gen ihre ma­ß­geb­li­che Ur­sa­che nicht im Ver­fah­rens­recht, son­dern in den kom­ple­xen, schwer hand­hab­ba­ren und teil­wei­se nicht rechts­si­cher zu pro­gnos­ti­zie­ren­den An­for­de­run­gen des ma­te­ri­el­len Rechts haben. Hier soll es künf­tig zu Stan­dar­di­sie­run­gen durch ab­schlie­ßen­de Bun­des­re­ge­lun­gen ohne Ab­wei­chungs­mög­lich­keit für die Län­der kom­men. Zudem sol­len unter be­stimm­ten Be­din­gun­gen ar­ten­schutz­recht­li­che Aus­nah­men zwin­gend zu er­tei­len sein. Dies be­trifft unter an­de­rem An­for­de­run­gen an die Al­ter­na­ti­ven­prü­fung und den Er­hal­tungs­zu­stand der Po­pu­la­tio­nen einer Art, wobei auch eine Ver­mu­tungs­re­ge­lung vor­ge­se­hen ist. Wei­ter ent­hält das Eck­punk­te­pa­pier Re­ge­lun­gen zu nach­träg­li­chen An­ord­nun­gen und Re­powering sowie die Vor­ga­be, dass Wind­ener­gie künf­tig ver­stärkt auch in Land­schafts­schutz­ge­bie­ten zu­ge­las­sen wer­den soll.

Zu die­sem An­satz gibt es keine Al­ter­na­ti­ve. Bleibt zu hof­fen, dass der damit er­streb­ten Stär­kung der Wind­ener­gie kein West­wind aus Lu­xem­burg ins Ge­sicht weht. Denn die Vo­gel­schutz­richt­li­nie sieht bis­lang keine aus­drück­li­che Aus­nah­me­re­ge­lung für Kli­ma­schutz vor. Und es ist zu­min­dest nicht si­cher, ob der EuGH Zu­mut­bar­keits­schwel­len für Ver­mei­dungs­maß­nah­men sowie Stan­dar­di­sie­run­gen und Re­gel­ver­mu­tun­gen als mit den von ihm bis­lang auf­ge­stell­ten ar­ten­schutz­recht­li­chen An­for­de­run­gen für ver­ein­bar ­halten wird. Soll­te der Ge­richts­hof dies ver­nei­nen, wird die EU-Kom­mis­si­on in der ­Verantwortung ste­hen, zur Ret­tung des Eu­rope­an Green Deal von ihrem In­itia­tiv­recht Ge­brauch zu ma­chen. Je­den­falls wird man, was den deut­schen Ge­setz­ge­ber an­geht, kon­sta­tie­ren müs­sen: Der Kurs stimmt.

Prof. Dr. Wolfgang Ewer ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht in Kiel​sowie Mitherausgeber der NJW.