NJW-Editorial

Ein Etappenziel ist erreicht
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Mit breiter Mehrheit hat die 8. Satzungsversammlung eine bedeutsame Änderung der Fachanwältin- und Fachanwaltsordnung beschlossen: Der Zeitraum für den nachzuweisenden Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen wird von drei auf fünf Jahre ausgeweitet. Zugleich wurden sechs Fachanwaltschaften reformiert. „Ein wichtiges Etappenziel ist damit erreicht“, schreibt Fachanwältin und Notarin Silvia C. Groppler im Editorial. Doch die Modernisierung der FAO sei damit keineswegs abgeschlossen.

13. Jun 2025

Mit breiter Mehrheit hat die 8. Satzungsversammlung am 26.5.​2025 eine bedeutsame Änderung der Fachanwältin- und Fachanwaltsordnung beschlossen: Der Zeitraum für den nachzuweisenden Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen wird in § 5 I 1 FAO künftig von drei auf fünf Jahre ausgeweitet. Damit reagiert das Gremium auf die veränderten Arbeits- und Lebensrealitäten der (jungen) Anwaltschaft, die Entwicklung des Rechtsdienstleistungsmarkts und den Rückgang der Gerichtsverfahren in den letzten zwei Jahrzehnten. Dieser Reformschritt war aus vielen Gründen überfällig: Mehr Teilzeit und Anstellungsverhältnisse mit einer wöchentlichen Arbeitszeit unter 40 Stunden, schwierige Mandatsakquise in Konkurrenz zu der inzwischen hohen Anzahl an Fachanwältinnen und Fachanwälten in demselben Rechtsgebiet, fehlende Fälle – vor ­allem in den ländlichen Regionen – , Rückgang der Anzahl von Fachanwältinnen durch familiäre Zusatzaufgaben und Care-Arbeit. Vor diesen Realitäten dürfen wir – unabhängig davon, wie wir sie bewerten – nicht die Augen verschließen.

Mit der Verlängerung des Zeitraums öffnet sich nun eine für viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte bisher schwer überwindbare Zugangsschranke. Die Änderung bietet dem anwaltlichen Nachwuchs eine realistische Chance, die begehrte und etablierte Fachanwaltsbezeichnung als Ausweis besonderer Qualifikation und Grundlage wirtschaftlichen Erfolgs zu erwerben. Sie leistet hierdurch einen Beitrag zur Chancengleichheit sowie zur Stärkung und Sichtbarkeit einer hochqualifizierten Anwaltschaft. Gleichzeitig bleibt die Qualität der Fachanwaltsbezeichnung gewahrt, da die beson­deren praktischen Erfahrungen weiterhin im gleichen Umfang nachzuweisen sind wie zuvor. Fast geht unter, dass die Satzungsversammlung gleichzeitig sechs Fachanwaltschaften reformiert hat. So fällt beispielsweise im Arbeitsrecht der Nachweis kollektivarbeitsrechtlicher Fälle weg; im Familienrecht zählen Folgesachen jeweils gesondert als Fall – egal ob sie isoliert oder im gewillkürten Scheidungsverbund geltend gemacht werden.

Ein wichtiges Etappenziel ist damit erreicht. Die Modernisierung der FAO ist damit aber keineswegs abgeschlossen. Die Ausgestaltung der weiteren 18 Fachanwaltschaften, die angemessene Gewichtung der Fälle, Anpassungen beim Erwerb der beson­deren theoretischen Kenntnisse einschließlich der schriftlichen Leistungskontrollen, Kriterien für neue Fachanwaltschaften und die Fortbildung gemäß § 15 FAO sind nur einige Themen, die Reformbedarf aufweisen. Das Ziel ist ein modernes und chancengerechtes System der Fachanwaltschaft, damit diese auch künftig ihre Erfolgsgeschichte fortsetzen kann!

Silvia C. Groppler ist Rechtsanwältin und Notarin in Berlin, Fachanwältin für Familien- sowie für Miet- und WEG-Recht sowie Mitglied im Vorstand des DAV.