Glosse
Digitale Streife
Glosse
Generiert mit Adobe Firefly

Bislang war gut beraten, wer während der Arbeitszeit die Finger vom Handy lässt. Aber nun belehrt uns das LAG Berlin-Brandenburg eines Besseren. Das hat nämlich jüngst entschieden, dass die Nutzung eines Smartphones während der Arbeitszeit aus Arbeitnehmersicht auch angenehme Konsequenzen nach sich ziehen kann, etwa eine finanziell lohnende tarifliche Höhergruppierung (Urt. v. 2.9.​2024 – 10 Sa 24/24). 

31. Jan 2025

Allerdings wurde das Handy im konkreten Fall nicht etwa für eine Schnäppchenjagd auf Temu genutzt, sondern um der städtischen Arbeitgeberin reichlich Bußgelder ins notorisch klamme Stadtsäckel zu spülen. 

Eine Stadt im Gerichtssprengel des LAG Berlin-Brandenburg schickte ihre Mannschaft seit Februar 2018 mit Smartphones auf Streife, damit künftig die Sanktion einer Ordnungswidrigkeit auf dem Fuß folgt. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall, denn auch wenn das Zeitalter der Digitalisierung nicht erst letzte Woche angebrochen ist, machten die Ordnungshüter in besagter Stadt zuvor immer noch mit Griffel und Block Jagd auf Gesetzesbrecher. Doch dann schlug ebenda die Stunde der Digitalisierung in der Verwaltung, und mobile Endgeräte kamen im Kampf um Recht und Ordnung zum Einsatz. Stießen die Streifenbeamten etwa auf einen Falschparker, zückten sie das Diensthandy, um dort eine neue Fallakte anzulegen, vorausgesetzt, sie befanden sich nicht gerade in einem Funkloch. Unterstützt wurden sie dabei von den einschlägigen Gesetzen, Verordnungen und Satzungen, die auf dem Smartphone ebenso hinterlegt waren wie notwendige Textbausteine. Und die Höhe des Verwarnungs- oder Bußgelds konnten sie in bestimmten Fällen auch festlegen. Kein Wunder, dass so mancher diesen Aufwand nicht mehr für die bisherige Vergütung betreiben wollte, allen voran der spätere Kläger. Doch in Zeiten klammer Kassen winkte die Stadt beim Stichwort Höhergruppierung nur ab.

Anders hingegen das ArbG und das LAG Berlin-Brandenburg, nach deren Ansicht mit der Digitalisierung des Streifengangs eine wesentliche Änderung der Tätigkeit einhergehe. So müsse der Kläger neuerdings in einem nicht unerheblichen Maße selbstständig tätig sein und Ermessensentscheidungen treffen, etwa ob er nun einschreitet oder noch mal ein Auge zudrückt, um nur eine zu nennen. Und neue, vielseitige Fachkenntnisse habe er sich auch aneignen müssen, die zuvor Sache des Innendiensts waren – was das über den intellektuellen Anspruch des handylosen Streifendiensts aussagt, soll an dieser Stelle nicht vertieft werden. Fest steht aber nun, dass sich die Digitalisierung der Verwaltung nicht nur für diese auszahlt, sondern auch für diejenigen, die sich tagtäglich mit ihr rumschlagen müssen (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 37953).

Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt.

Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.