Der Kläger in dem Fall, seines Zeichens Industriekaufmann, studierte Wirtschaftsrecht im Fernstudium. Daneben bewarb er sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit und ausschließlich auf Stellenausschreibungen, die nicht geschlechtsneutral ausgeschrieben waren, sondern in denen der potenzielle Arbeitgeber, die potenzielle Arbeitgeberin eine Frau suchte. Wurde er dann beim Bewerbungsverfahren nicht berücksichtigt oder hörte er gar nichts auf seine Bewerbung, was aufgrund standardisierter und lieblos zusammengestellter Bewerbungsunterlagen wohl recht häufig vorkam, klagte er umgehend eine AGG-Entschädigung ein.
Beim ArbG Berlin etwa brachte er es so innerhalb von 15 Monaten auf elf derartige Verfahren. Aber auch andere Arbeitsgerichte quer durch die Republik erfreute er mit seinen Entschädigungsklagen – offensichtlich war das einmalige Erfolgserlebnis vor dem LAG Schleswig-Holstein ein aus Sicht der Arbeitsgerichtsbarkeit ebenso fataler wie immer noch nachwirkender Motivations-Boost. In dem konkreten Fall, über den das BAG im vergangenen September zu befinden hatte, hatte er sich auf eine Stellenausschreibung beworben, mit der eine Sekretärin gesucht wurde. Der Arbeitsort war rund 170 km vom Wohnort unseres Klägers entfernt; ein Umzug kam selbstredend nicht in Betracht – für was haben wir schließlich einen gut funktionierenden Personenfernverkehr und das Deutschlandticket? Eigentlich hätte allein dieser Umstand nebst einer wie üblich belanglosen Bewerbung mit allenfalls sehr schwachem Bezug auf die konkrete Stellenanzeige gereicht, um den geltend gemachten Schadensersatzanspruch abzulehnen.
Doch das LAG Hamm setzte argumentativ noch einen drauf und bescheinigte dem Kläger, seine AGG-Klagen als wenig einträgliches Geschäftsmodell zu praktizieren, zu dem es auch gehörte, dass seine unzähligen Bewerbungen zwar mit Blick auf die jeweiligen Stellenausschreibungen wenig aussagekräftig seien, sich dafür aber umso genauer an der einschlägigen Rechtsprechung zu dieser Thematik orientierten, um den Rechtsmissbrauch nicht ganz so offensichtlich werden zu lassen. Für diesen argumentativen Aufwand gab es Lob vom BAG, das die Ausführungen der Kollegen aus Hamm mit Nachdruck bestätigte, um den AGG-Hopper genauso abblitzen zu lassen wie die Vorinstanzen (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 35307).
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