Glosse

Nicht anfassen
Glosse
Сергей Васильченко/adobe

Manchmal fragt man sich an dieser Stelle ernsthaft, was Corona und/oder der Lauf der Dinge aus uns und unserem gesunden Menschenverstand gemacht haben. Denn was früher selbstverständlich war oder sich zumindest zwanglos inter partes regeln ließ, wird immer häufiger zu einem Fall für die Justiz. Oder hätten sich die Vermieterinnen und Vermieter unter unseren Lesern träumen lassen, dass sie sich ins Mietobjekt klagen müssen, um gerügte Mängel überprüfen und sodann über deren Instandsetzung entscheiden zu können?

15. Aug 2025

Einem Hamburger Vermieter ist nicht nur das passiert (AG Hamburg Urt. v. 4.7.​2025 – 49 C 237/24). Doch am Ende hatte die unkooperative Mieterin das Nachsehen.

Der Kläger hatte der späteren Beklagten seit 1.10.​2016 eine Wohnung in Hamburg vermietet. Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt rügte diese eine schadhafte Steckdose sowie ein rauchendes Cerankochfeld. Die Verständigung auf einen Besichtigungstermin gelang nur mithilfe von Justitia in Gestalt des AG Hamburg. Das verurteilte die widerborstige Mieterin Ende September 2023, dem Kläger allein oder in Begleitung einer elektrotechnisch ausgebildeten Person für längstens 30 Minuten Zutritt zu Flur und Küche des Mietobjekts zu gewähren. Wie der allerdings abzulaufen habe, davon hatte die Beklagte ganz genaue Vorstellungen, die sich nicht ganz mit den Vorgaben des AG deckten: zehn statt 30 Minuten maximale Verweildauer in Flur und Küche, für die übrigen Räume gelte Art. 13 I GG. Steckdose und Cerankochfeld dürften angeschaut, aber nicht angefasst werden. Der Vermieter quittierte dieses strikte Skript mit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung und stellte seiner querulatorischen Mieterin außerdem vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von rund 1.135 EUR in Rechnung. Am Ende stritt man sich nur noch um diese vor dem AG Hamburg, weil die Mieterin zwischenzeitlich freiwillig die Wohnung geräumt hatte, obwohl sie sich dazu nicht verpflichtet wähnte. Doch das sah das Gericht anders, da in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass die Nichtbefolgung einer titulierten Verpflichtung eine fristlose Kündigung durchaus rechtfertigen könne. Und weil die anwaltliche Gebührenrechnung ebenso wenig überzogen war wie die Zinsforderung, schlug sich Justitia auf die Seite des Vermieters – Bockigkeit und Prinzipienreiterei zahlen sich eben in den seltensten Fällen aus (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2025, 18181). 

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.