Glosse

Extrameile
Glosse
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Bei den Anwaltsgebühren scheiden sich die Geister. Die, die sie bezahlen müssen, halten sie für heillos überzogen, die, die davon leben müssen, für kaum auskömmlich, vor allem wenn sie sie im Rahmen von § 14 I RVG ausführlich begründen müssen. Da hilft es, dass gerade alle Welt über die Inflation jammert. Wenn man die im Kampf um höhere Gebühren in Stellung bringt, sollte selbst der strengste Bezirksrevisor mit dem dicksten Rotstift einknicken.

28. Feb 2025

Doch weit gefehlt, denn am 7.2.​2025 ließ uns das LG Nürnberg-Fürth wissen, dass dies keineswegs eine höhere Rahmengebühr rechtfertige (Beschl. v. 7.2.​2025 – 12 Qs 2/25). Außerdem steht gebührenrechtlich nunmehr fest, dass ein Verteidiger auch keine Extrameile gehen oder sich gar doppelt anstrengen muss, nur weil sich sein Mandant eine Strafanzeige von einem Gerichtspräsidenten eingefangen hat.

Der spätere Beschwerdeführer vertrat einen Mandanten wegen mehrerer Beleidigungsdelikte zum Nachteil einer Richterin des AG Nürnberg und dessen Präsidenten. Doch statt sich einsichtig zu zeigen und die vom Gerichts-Chef erstattete Anzeige mittels Entschuldigung aus der Welt zu schaffen – normalerweise gelingt das –, wandte sich der Angezeigte an das OLG und dessen Führungsetage, weil man dort ja wohl nicht wisse, dass beim AG die geballte Unfähigkeit regiere, die schleunigst abgesetzt gehöre. Die Forderung blieb unerhört, aus Sicht des OLG-Präsidenten war sie das wohl auch; zumindest zog das Lamento über das unfähige Personal beim AG eine weitere Strafanzeige nach sich. Dass der Lamentierende gleichwohl ungeschoren davonkam, hatte er seinem tüchtigen Anwalt zu verdanken, der ihn dank Art. 5 I GG in der Berufungsinstanz raushauen konnte. Anschließend stellte er der Staatskasse für seine Bemühungen eine Vergütung oberhalb der Mittelgebühr in Rechnung und begründete dies mit der Extrameile, die die Verteidigung nach der Strafanzeige aus der Chef-Etage des OLG habe gehen müssen. Anderenfalls hätte sich der Mandant womöglich noch im Knast wiedergefunden. Und die allgemeine Teuerung habe auch nicht nur Spuren hinterlassen. Gleichwohl wurde im Kostenfestsetzungsverfahren der Rotstift reichlich angesetzt, und das zu Recht, wie das LG Nürnberg-Fürth auf die Beschwerde des Anwalts hin befand. Zum einen erlange der juristisch wenig anspruchsvolle Fall nicht dadurch mehr Gewicht, dass er von einem Gerichtspräsidenten angestoßen wurde. Und dass alles immer teurer werde, sei zwar richtig und bedauerlich, aber eher dem allgemeinen Lebensrisiko zuzuordnen, dem das RVG zumindest bislang noch nicht Rechnung trage (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2025, 1262).

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.