Zwölf bis 13?Stunden tägliche Daddelei waren für ihn normal, da blieb nicht viel Zeit für anderes, schon allein wegen des verschobenen Tag-Nacht-Rhythmus, Essstörungen und sozialer Isolation. Nun hätte man ihm bzw. seinem Computer einfach mal den Stecker ziehen können, ein Versuch wäre es allemal wert gewesen, wenn nicht die Mutter des Schülers bereits im Frühjahr 2006 für ihren damals knapp sieben Jahre alten Sohn eine Schulunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hätte. Und so blieben die Rechner am Netz und die Versicherung sollte den Gameboy und dessen Spielsucht alimentieren, was diese auch tatsächlich für den Zeitraum 1.9.2016 bis 31.12.2017 aus Kulanz tat. Kaum war der Geldfluss versiegt, folgte der nächste Leistungsantrag, dessen Prüfung die Versicherung allerdings von einer fachärztlichen Untersuchung des Versicherten an einem spezialisierten Institut in Frankfurt a.M. abhängig machte. Dazu kam es aber nicht, weil sich der Sprössling aufgrund einer ausgeprägten Schlafstörung zu einer Reise in die Mainmetropole nicht in der Lage sah. Wohnortnähere Untersuchungstermine wurden, obwohl möglich, nicht wahrgenommen – dafür hätte man ja die Daddelei mal vorübergehend unterbrechen müssen. Irgendwann – wir schreiben mittlerweile den 30.10.2019, die Mitschüler des Versicherten befanden sich mittlerweile alle in der Berufsausbildung oder bereits im Berufsleben – teilte die Versicherung mit, eine Leistungsprüfung könne mangels fachärztlicher Untersuchung nicht vorgenommen werden.
Drei Jahre später kam der Fall dann vor die saarländische Justiz. Denn kurz vor Weihnachten 2022 begehrte die Mutter des Versicherten Prozesskostenhilfe für ein ganzes Anspruchspaket: Für den Zeitraum 1.1.2018 bis 31.12.2022 sowie für zwei weitere Monate im Jahr 2016 machte sie ausstehende Rentenzahlungen in Höhe von insgesamt 28.797,08?Euro, außerdem ab 1.1.2023 bis längstens 1.3.2064 – da stünde der Filius kurz vorm Renteneintrittsalter – 5.665 Euro pro Jahr geltend. Das LG Saarbrücken gewährte die Prozesskostenhilfe lediglich für die Inanspruchnahme der Versicherung in Höhe von 8.969,56 Euro, was das OLG Saarbrücken schon allein wegen der verweigerten medizinischen Untersuchung bestätigte. Zudem ergebe sich bereits aus dem Begriff Schulunfähigkeitsversicherung, dass diese nur für etwaige Unpässlichkeiten von der Einschulung bis zum planmäßigen Ablauf der begonnenen Schulausbildung einspringe und eben nicht den deutlich längeren Zeitraum bis zum Renteneintrittsalter des Versicherten abdecke. Weil aber der Versicherte die Oberstufe ohne die exzessive Beschäftigung mit Fortnite, Palworld & Co. spätestens im Juli 2019 beendet hätte und die Voraussetzungen eines anderen Versicherungsfalls nicht dargelegt wurden, fiel die bewilligte Prozesskostenhilfe eben deutlich knapper als beantragt aus (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2023, 36104).
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