Glosse
Dauerrot
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Die Kommunen in Deutschland sind notorisch klamm. Deshalb ist Kreativität gefragt, um die bisweilen kratertiefen Finanzlöcher zu stopfen. Bewährt haben sich dabei Radarfallen. Zwar sollen die zuvörderst unsere Straßen sicherer machen, aber wenn sie darüber hinaus auch noch das nötige Kleingeld ins kommunale Geldsäckel spülen, dann spricht das erst recht für eine flächendeckende Installation.

2. Feb 2024

Im Gerichtssprengel des AG Hamburg-Blankenese haben die so generierten Geldzuflüsse wohl nicht gereicht, um die mannigfachen Auf- und Ausgaben der zuständigen Gemeindemütter und -väter zu finanzieren. Deshalb bezogen sie die örtlichen Ampeln in die Geldbeschaffung mit ein und versahen diese mit einer Bedarfsschaltung. Der Clou an der Sache: Die Schalte war bei der Auswahl der Verkehrsteilnehmer, auf die sie reagierte, wählerisch, was die Bußgelder erst einmal sprudeln ließ. Doch dann schob das OLG Hamburg dem Geldsegen einen Riegel vor (Beschl. v. 11.9.2023 – 5 ORbs 25/23).

Die spätere Betroffene, eine Radfahrerin, wurde im Juli 2022 an einer Kreuzung von einer roten Ampel gestoppt. Doch statt diese einfach zu ignorieren, stieg sie ordnungsgemäß ab und wartete geduldig Minute um Minute auf Grün. Gleichwohl, es tat sich nichts. Und weil sie keine Lust hatte, vor der Ampel auf ihrem Fahrrad oder in dessen Körbchen hockend zu übernachten, vergewisserte sie sich erst, dass kein Auto heranbrauste, dann, ob die Staatsmacht hinter einem Baum lauert und nur darauf wartet, dass sie sich vom Dauerrot zu einem Rotlichtverstoß hinreißen lässt, um anschließend kräftig in die Pedale zu treten und sich von der sicherlich defekten Ampel nicht weiter zum Narren halten zu lassen. Doch das blieb nicht unbeobachtet, weshalb das AG Hamburg-Blankenese ihr Ende Januar 2023 eine Geldbuße in Höhe von 100 Euro aufbrummte. Denn besagte Signalanlage war nicht defekt; vielmehr war das Dauerrot auf eine Bedarfsschaltung zurückzuführen. Ob aber deren Kontaktschleife von der Radfahrerin überhaupt hätte ausgelöst werden können, wollte man beim AG nicht so genau wissen, zumal auch in dem Fall zwar nicht mehrere Wege nach Rom, wohl aber ein weiterer ordnungsgemäß über die Kreuzung geführt hätte, und zwar mithilfe der nur wenige Meter entfernten Fußgängerampel. Das verfing beim OLG Hamburg so gar nicht. Denn zum einen seien Radfahrer keine qualifizierten Fußgänger, von denen man erwarten könne, je nach Verkehrslage zum Fußgänger zu mutieren. Zum anderen sei die Frage, ob die Kontaktschleife der Signalanlage von Radfahrern überhaupt ausgelöst werden könne, für die Verurteilung wegen eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nicht ganz unwichtig. Weil das AG dazu aber nichts festgestellt hatte, wird es dort nun einen zweiten Durchgang in der Sache geben (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2023, 24613).

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.