Das gilt natürlich erst recht fürs Weihnachtsessen, dessen Zusammenstellung von Jahr zu Jahr immer komplexer wird. Bei dem einen ist der Veganuary in die Verlängerung gegangen; die andere würde sich über irgendwas mit Kimchi freuen, was ein Dritter wegen der damit einhergehenden kulturellen Aneignung für bedenklich hält, während wieder wer anderes gerade die Ernährung umgestellt hat (zuckerfrei, kohlehydratarm und freudlos), aber bereit ist, nicht nur für Omas Stollen und Plätzchen, sondern auch für Kartoffelsalat und Würstchen eine Ausnahme zu machen, wenn ihm dafür im Gegenzug dieses Jahr die Socken erspart bleiben. Für Würstchen, egal, ob aus Wien oder Frankfurt, spricht übrigens noch was: Das OVG Münster hat sich vor nicht allzu langer Zeit zu deren Füllmenge ganz klar positioniert (Urt. v. 24.5.2024 – 4 A 779/23). Rechtssicherheit beim Festtagsschmaus – wenn das mal kein Grund zur Freude ist.
In dem Fall ging es um eine fertig verpackte Leberwurst. Die war weder beleidigt noch mit Salmonellen oder Schwermetallen verseucht; gleichwohl gab ihr Inhalt Anlass zur Reklamation. Denn die angebliche Füllmenge von 130 Gramm erreichte die Wurstware nur, wenn man sie mitsamt Pelle sowie den beiden Wurstendenabbindern auf die Waage legte. Nun haben Wurstpellen durchaus einen tieferen Sinn (dazu sogleich unten), zum Verzehr sind sie aber wie auch die Wurstendenabbinder denkbar ungeeignet. Brachte man das Gewicht dieser nicht essbaren Teile in Abzug, fehlten unserer Leberwurst sage und schreibe bis zu 2,6 Gramm. Der Landesbetrieb Mess- und Eichwesen Nordrhein-Westfalen, der diesen Skandal bei einer seiner routinemäßigen Gewichtskontrollen aufgedeckt hatte, zog die Wurst deshalb aus dem Verkehr und argumentierte mit Brüssel. Denn nach der 2014 in Kraft getretenen europäischen Lebensmittelinformationsverordnung zählen alle nicht essbaren Teile einer Wurst nicht zu deren Gewicht. Das VG fand das überzeugend, das OVG etwas weit weg von der Realität an unseren Fleischtheken. Denn wenn Pelle und Wurstendenabbinder nicht zur Füllmenge einer Leberwurst zählten, würde dadurch das Auswiegen des Produkts nicht unbedingt einfacher. Und bevor Brüssel sich der Lösung dieses Problems mit einer weiteren Richtlinie oder Verordnung annimmt, entschied das OVG pragmatisch zugunsten des Herstellers, aller Fleischfachverkäuferinnen und -verkäufer des Landes und ließ die Revision zu. Denn selbst das relativ geringe Gewicht des Streitgegenstands sprach nach Ansicht des Senats nicht gegen die grundsätzliche Bedeutung der Sache. Nun bleibt abzuwarten, wie sich das BVerwG zur Füllmenge einer Leberwurst verhält. In dem Sinne frohe Feiertage – mit oder ohne Pelle (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 11160).
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