Doch mit dieser Zurückhaltung ist dank des BayObLG jetzt Schluss. Das ist nämlich jüngst für die Meinungsfreiheit in die Bresche gesprungen. Und dieser Sprung hat Konsequenzen, allen voran für die bayerische Polizei. Die muss sich jetzt ein dickeres Fell zulegen oder bei der einen oder anderen Aussage einfach mal auf Durchzug stellen (Beschl. v. 14.10.2024 – 206 StRR 343/24).
Der Angeklagte war vom AG Ende März unter anderem wegen Beleidigung verurteilt worden. Dem vorausgegangen waren divergierende Ansichten über einen Polizeieinsatz: Die Beamten hielten ihr Vorgehen für großartig, der spätere Angeklagte für einigermaßen kritikwürdig. Irgendwann ließ er sich dann zu der nach Ansicht des Gerichts ebenso unberechtigten wie unangemessen Frage hinreißen, ob sie, also die Beamten noch ganz dicht seien. Weil aber die Polizei im Allgemeinen und die in Bayern im Besonderen nach Meinung des AG insoweit über jeden Verdacht erhaben ist, kassierte unser Angeklagter eine mehrmonatige Freiheitsstrafe, in die noch mindestens eine Fahrt ohne Fahrerlaubnis eingepreist wurde. Das LG hatte nichts dagegen einzuwenden, zumal die inkriminierte Aussage mit dem „Scheibenwischer“ untermauert worden war, eine unter strafrechtlichen Gesichtspunkten gemeinhin ungute Kombination. Doch wie gut für den Angeklagten, dass das BayObLG nicht sicher ausschließen konnte, dass ein unvoreingenommener und verständiger Zuhörer diese Aussage weniger als Geringschätzung einer konkreten Person, sondern als Kritik sui generis am Vorgehen der Polizei verstanden hätte. Weil aber die Meinungsfreiheit ein hohes Gut ist, ist es nun an der Vorinstanz, die insoweit bestehenden Unsicherheiten in einer neuen Hauptverhandlung aus dem Weg zu räumen. Damit aber der Angeklagte nicht noch einmal in der Schleißheimer Straße vorstellig wird, hat das BayObLG die Marschrichtung unmissverständlich vorgegeben. Das LG wird deshalb bei seiner erneuten Urteilsfindung berücksichtigen müssen, dass Bürger Maßnahmen der öffentlichen Gewalt ohne Furcht vor Sanktionen kritisieren dürfen; so was muss die Staatsgewalt aushalten, und zwar unabhängig davon, ob die Maßnahme rechtmäßig oder rechtswidrig war (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 27460).
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