Anderenfalls droht straf- und versicherungsrechtliche Unbill. Denn wir sind uns einigermaßen sicher, dass uns § 142 StGB zumindest in dieser Legislaturperiode erhalten bleibt. Und unfallbedingte Fluchtreaktionen nehmen unsere Gerichte nur in seltenen Ausnahmefällen an und nicht schon bei ein paar Erinnerungslücken, meinte etwa jüngst das OLG Saarbrücken (Urt. v. 31.7.2024 – 5 U 102/23).
Der Kläger kollidierte im März 2020 mit seinem vollkaskoversicherten Sportwagen auf der Autobahn erst mit einem anderen Fahrzeug, dann mit der Mittelleitplanke. Während der Unfallgegner noch damit beschäftigt war, sich und sein ramponiertes Gefährt zu sortieren, machte sich der Verursacher klammheimlich aus dem Staub. Am nächsten Tag dämmerte ihm, dass die nächtliche Flucht nicht unbedingt einer seiner besten Einfälle war. Doch statt zur nächsten Polizeistation zu gehen, stattete er einem Allgemeinmediziner mit alternativ-medizinischen Wurzeln einen Besuch ab, erzählte dort was von einer panikartigen Flucht über Stock und Stein (tatsächlich war es die A6), die erfreulicherweise bei seiner Freundin endete; an mehr könne er sich nicht erinnern. Die Bescheinigung eines posttraumatischen Schocks mit Erinnerungslücken sowie einiger Prellungen war daraufhin reine Formsache. Das sollte reichen, da war sich der Unfallflüchtige sicher, um die Versicherung zur Übernahme des Kaskoschadens an seinem Wagen zu bewegen. Denn die berief sich auf ihre Leistungsfreiheit wegen eines eklatanten Verstoßes des Versicherungsnehmers gegen dessen Aufklärungsobliegenheiten. Erstinstanzlich kam sie damit nicht durch; schließlich habe der Kläger ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigung einen vorsatz- und schuldausschließenden Unfallschock erlitten. Anders das OLG Saarbrücken, das diesen für nicht ganz so traumatisch hielt. Und das aus gutem Grund. Denn dem Unfallverursacher gelang nicht nur, eine dicht befahrene Autobahn unfallfrei zu Fuß zu queren, sondern auch noch seine Freundin telefonisch zu kontaktieren und ihr recht präzise zu beschreiben, wo sie ihn einsammeln möge, idealerweise bevor die Polizei ihn sich vorknöpfe. Das OLG kam angesichts dieses recht planvollen Agierens zu der einzig möglichen Schlussfolgerung: Möglicherweise war der Kläger aufgrund des Unfalls ein wenig, aber nicht derart durcheinander, dass er nicht mehr wusste, was er tat, als er sich an jenem Abend im März 2020 mit einem Spurt über die A6 der polizeilichen Fahndung entzog (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 22339).
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