Glosse
Bürgerpflicht
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Wer als Zeuge in einem Gerichtsprozess geladen ist, hat sich tunlichst pünktlich vor Ort einzufinden; anderenfalls droht ein Ordnungsgeld, es sei denn, man ist an dem fraglichen Termin aus gutem Grund und nicht, weil man gerade keine Lust hat, verhindert. 

27. Sep 2024

Denn Zeugenpflicht ist Bürgerpflicht – und deshalb ist dem Bürger in dem Kontext so manche Beschwerlichkeit auch zuzumuten, etwa morgens um 4.45 Uhr in Frankfurt a. M. aufzubrechen, um um 9?Uhr als Zeugin bei einem LG in Ostwestfalen vorstellig zu werden. Macht man natürlich gern, auch im Spätherbst, wenn es um diese Zeit noch sehr dunkel und kalt, die Autobahn allerdings auch sehr frei ist. Wenn der Vorsitzende einen dann aber keine fünf Minuten nach Terminsbeginn wissen lässt, dass man die Zeugen heute „eigentlich“ nicht brauche, bedarf es einer gehörigen Portion Contenance, weil man anderenfalls doch noch ein Ordnungsgeld riskiert, allerdings nicht wegen Unpünktlichkeit. Den beiläufigen Hinweis, dass man das gern etwas früher gewusst hätte, weil Bielefeld nun mal kein Vorort von Frankfurt sei, konnte sich die Verfasserin dieser Zeilen dann doch nicht verkneifen, schon allein wegen des feixenden Beisitzers. Aber zurück zur Entscheidung von dieser Woche, in der das OLG Dresden (Beschl. v. 30.7.2024 – 4 W 472/24) über ein Ordnungsgeld gegen einen säumigen Zeugen zu befinden hatte. Dabei hatte der die denkbar beste Erklärung für seine Säumnis.

Der Fall ist schnell erzählt: Der Beschwerdeführer war für den 8.12.2023 ordnungsgemäß als Zeuge vom LG Leipzig geladen worden; gleichwohl erschien er nicht und hielt es auch nicht für nötig, sich im Vorfeld zu entschuldigen. Dafür gab es aus seiner Sicht gute Gründe. Denn am 23.11.2023 wurde ihm erst der „rote Zettel“, dann eine Zelle für Untersuchungshäftlinge präsentiert, die bis zum 12.12.2023 sein neues Zuhause auf Zeit wurde. Wer wollte es ihm da verübeln, dass er während dieser Zeit an vieles, aber nicht an den Termin beim LG Leipzig gedacht hatte? Allen voran das OLG Dresden! Zwar sei das Ausbleiben des Beschwerdeführers am 8.12.2023 hinreichend entschuldigt (wer hätte das gedacht?). Allerdings habe ihn die Untersuchungshaft nicht davon entbunden, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung abzusagen; immerhin erfolgte die Inhaftierung bereits 14 Tage vorher. Es habe mithin ausreichend Zeit für eine entsprechende Information des Gerichts bestanden, zumal der Beschwerdeführer kaum was Besseres vorgehabt haben dürfte und ein magerer Zweizeiler ausgereicht hätte (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 23530).

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.