Glosse
Da lachen ja die Hühner
Glosse
© www.freund-foto.de/adobe

Die schnöde Nahrungsaufnahme ist vielfach gefährlicher, als mancher denkt. Kaum schickt man sich an, herzhaft in einen Döner, einen Burger oder einen Hot Dog zu beißen, schon hebt mindestens einer warnend den Finger, um uns davor zu bewahren, die Zutaten der beliebten Imbisse in der falschen Reihenfolge zu uns zu nehmen. Oder Lebensmittel miteinander zu kombinieren, die noch weniger miteinander matchen als die Protagonisten unserer Bundesregierung.

2. Aug 2024

Und wenn man dann eingedenk der Warnung des erhobenen Zeigefingers die Bestandteile seines Burgers so sortiert bzw. dekonstruiert hat, dass man erst etwas Gemüse inklusive zuckerfreiem und salzarmem Ketchup, dann das Fleisch oder dessen Ersatz und erst ganz zum Schluss die Kohlenhydrate in Gestalt eines labberigen Bun verspeisen könnte, dann beißt man zu allem Übel noch auf irgendeinen Fremdkörper in der Speise. Das wiederum lässt unseren Zahnarzt frohlocken, dessen Patienten etwas weniger, vor allem wenn keiner sich bereit erklärt, die mit der Wiederherstellung des kraftvoll Zubeißens einhergehenden Kosten zu übernehmen. So geschehen in einem Fall, den das VG Kassel jüngst entschieden hat (Urt. v. 10.5.2024 – 1 K 1762/22.KS).

Der während des Verfahrens verstorbene Kläger (was uns das über die Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren sagt, soll an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden) war Pensionär und als solcher beihilfeberechtigt. Anfang März 2022 wandte er sich vertrauensvoll an die Beihilfestelle, um in Erfahrung zu bringen, ob diese sich an den Kosten für den Einsatz zweier Implantate im Oberkiefer beteilige. Der Haken an der Sache: Pro Oberkiefer waren maximal zwei Implantate beihilfefähig, und bei dem vom Kläger beantragten Ersatz handelte es sich bereits um die Implantate 3 und 4. Gleichwohl war er zuversichtlich, dass man in seinem Fall eine Ausnahme machen würde; schließlich habe er die zwei Zähne im Oberkiefer, die nun ersetzt werden sollen, im Zuge eines Unfalls verloren, den er beim Verzehr eines Brathähnchens erlitten habe. Dabei sei er nicht etwa vom Stuhl gefallen oder habe sich mit dem Besteck Verletzungen an der Kauleiste beigebracht, sondern auf einen nicht sichtbaren Hühnerknochen gebissen, und zwar mit so viel Biss, dass dabei zwei Zähne gespalten wurden. An kraftvoll zubeißen sei seitdem nicht mehr zu denken; außerdem sei ein derart entstellter Oberkiefer auch optisch keine Augenweide, von den damit einhergehenden Sprachschwierigkeiten ganz zu schweigen.

Gleichwohl wollte die beklagte Behörde – das Bundesverwaltungsamt – die Kosten für die Implantate nicht übernehmen. Deshalb landete der Fall beim VG Kassel, das sich nur halb auf die Seite des Klägers bzw. dessen Erben schlug: Zwar habe der Verstorbene seinerzeit beim Verzehr des Hähnchens einen Unfall erlitten; allerdings habe der nicht zu einem größeren Kiefer- oder Gesichtsdefekt geführt. Was sich auf den ersten Blick nach „nochmal Glück gehabt“ liest, entpuppt sich auf den zweiten Blick als „dumm gelaufen“. Denn wenn bei besagtem Unfall mit dem Broiler mehr gespalten worden wäre als nur zwei Zähne, dann wären Implantate 3 und 4 auch beihilfefähig gewesen (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 16162).

Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt

Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.