Glosse

Shop­ping-Queen
Glosse
©ViDi Studio/adobe

Die In­fla­ti­on ist hoch, die Wirt­schafts­kraft im Sink­flug, und die Deut­schen las­sen sich den Spaß am Shop­pen nicht ver­der­ben. Haupt­sa­che, die Kauf­lau­ne ist gut; der Rest wird sich geben. Und wenn man am Ende der Wühl­tisch-Ral­lye glück­se­lig das ul­ti­ma­ti­ve Schnäpp­chen in Hän­den hält, das man, wenn man ganz ehr­lich ist, al­len­falls an Kar­ne­val mit An­stand und noch mehr Mut tra­gen kann, dann ist die Welt trotz Krie­gen und Kri­sen zu­min­dest vor­über­ge­hend wie­der ei­ni­ger­ma­ßen in Ord­nung.

5. Jul 2024

Was aber viel­fach über­se­hen wird: Selbst die­ses un­schul­di­ge Frei­zeit­ver­gnü­gen birgt Ge­fah­ren, mit denen kaum je­mand rech­net. Nein, die Rede ist jetzt nicht von der an­ge­gam­mel­ten Ba­na­nen­scha­le, die zur un­frei­wil­li­gen Slap­stick­ein­la­ge à la Lau­rel & Hardy ein­lädt, son­dern vom schnö­den Preis­schild. In dem schlum­mert näm­lich bei ma­xi­mal un­ge­schick­ter Hand­ha­be ein ge­fähr­li­ches Werk­zeug. Wer damit trak­tiert wird bzw. sich selbst trak­tiert, kann dar­aus aber nichts her­lei­ten, mein­te jüngst das LG Mün­chen I (En­durt. v. 28.5.2024 – 29 O 13.848/23).

Die Klä­ge­rin in dem Fall, ihres Zei­chens Schnei­der­meis­te­rin und daher von Be­rufs wegen ei­gent­lich im Um­gang mit ge­fähr­li­chen Werk­zeu­gen ver­traut, pro­bier­te sich im Out­let der spä­te­ren Be­klag­ten durch einen Hau­fen Be­klei­dungs­stü­cke. Ir­gend­wann hatte sie sich zu einem T-Shirt vor­ge­ar­bei­tet, das wie das ge­sam­te Sor­ti­ment mit einem gan­zen Preis­schild­bün­del mit den üb­li­chen In­for­ma­tio­nen zu Ma­te­ri­al, Pfle­ge und Preis ver­se­hen war. Und just die­ses Bün­del fand beim An­pro­bie­ren sei­nen Weg ins Auge der Kun­din. Wem schon mal Ähn­li­ches wi­der­fah­ren ist, der weiß, dass so etwas über­aus schmerz­haft sein kann. Des­halb soll­te die Be­trei­be­rin des Out­lets auch neben den An­walts­kos­ten ein Schmer­zens­geld in Höhe von 5.000?Euro zah­len sowie für et­wai­ge Fol­ge­schä­den ge­ra­de­ste­hen, also etwa für den Fall, dass die Klä­ge­rin durch die un­er­freu­li­che Kol­li­si­on mit dem Eti­kett schwerst­trau­ma­ti­siert sein soll­te und künf­tig Mi­ni­golf spie­len muss, statt im Out­let Schnäpp­chen zu jagen. Das LG hätte dem mög­li­cher­wei­se statt­ge­ge­ben, wenn die Klä­ge­rin was Trag­fä­hi­ges zu einer et­wai­gen Pflicht­ver­let­zung sei­tens der Be­klag­ten vor­ge­tra­gen hätte. Zwar be­rief sie sich auf ver­letz­te Ver­kehrs­si­che­rungs­pflich­ten, doch dem moch­te das LG nicht fol­gen. Denn zum einen waren die Eti­ket­ten­bün­del gut sicht- und für jeden Kun­den er­kenn­bar; zum an­de­ren er­ach­te­te das LG den Vor­schlag der Klä­ger­sei­te, doch bitte, wenn schon nicht auf jedem Klei­dungs­stück, dann doch we­nigs­tens an den Klei­der­stän­dern einen Warn­hin­weis an­zu­brin­gen, der sich zur Ge­fähr­lich­keit von Preis­schil­dern, die auf Aug­äp­fel tref­fen, ver­hält, für le­bens­fremd und un­zu­mut­bar. Zu­gleich zeig­te sich das Ge­richt zu­ver­sicht­lich, dass der deut­sche Durch­schnitts­kon­su­ment in der Lage sein soll­te, die von Preis­schil­dern aus­ge­hen­den Ge­fah­ren im Wege der Selbst­vor­sor­ge zu meis­tern (die Ent­schei­dung ist im Voll­text ab­ruf­bar unter BeckRS 2024, 11930).

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.