Komplizierte Welt
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Die Welt wird immer komplizierter, da ist es gut und hilfreich, wenn manche Dinge einfach sind. Das Verhältnis Autofahrer versus Radfahrer ist so eine ganz einfache Sache: Die einen, in dem Fall die Radfahrer, sind die Guten, weil sie kein CO2 produzieren, es sei denn, der Fahrer bzw. die Fahrerin haben vorher Kohl gegessen, oder ihnen entfleucht unter der Fahrt ein „Bäuerchen“. Die Autofahrer hingegen sind die Bösen, und zwar auch dann, wenn sie in einem E-Auto unterwegs sind. 

28. Jun 2024

Anfang Februar hat das OLG Hamm die Dinge mit einem Hinweisbeschluss (8.2.​2024 – 7 U 30/23) wieder unnötig verkompliziert; denn in dem Fall war eindeutig der Radfahrer der Böse.

Dabei sah alles zunächst nach einem klaren Punktsieg für ihn aus, weil ihm der Beklagte mit seinem Auto in einer Spielstraße ins Velo gefahren war. Und wer auffährt, der muss sich schon was einfallen lassen, um Justitia von seiner Unschuld zu überzeugen. Schließlich spricht so ein Auffahrunfall eine deutliche Sprache: nämlich, dass man es offensichtlich mit dem erforderlichen Sicherheitsabstand nicht so genau genommen hat und auch noch ziemlich wahrscheinlich zu schnell unterwegs war. Hier lagen aber die Dinge anders: Vielleicht wähnte sich unser Radfahrer an dem Tag auf den letzten Metern der Champs-Elysées und wollte nochmal unbedingt ins gelbe Trikot fahren. Und damit das gelang, trat er ordentlich in die Pedale, schoss an dem Autofahrer vorbei, um sich an die Spitze des Pelotons zu setzen, das aus ihm und dem späteren Beklagten bestand; den Rest des Feldes hatte man bereits abgehängt. Aber damit nicht genug: Denn statt Schlusssprint folgte eine Vollbremsung, die dann zu der eingangs erwähnten Kollision führte. Dafür sollte der Autofahrer blechen, in welchem Umfang lässt der Hinweisbeschluss offen. Das LG erteilte der Klage bereits eine klare Absage, die das OLG bestätigte. Das sah in dem grob verkehrswidrigen Verhalten des Radfahrers, das man sonst eigentlich nur von Dreier-BMW-Fahrern kennt – erst überholen, dann schneiden, um im weiteren Verlauf den Überholten auszubremsen –, wie bereits die Vorinstanz ein anspruchsausschließendes Mitverschulden des risikofreudigen Radlers (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 12417).

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.