Glosse
Benzin im Blut
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Corvette CR Brandon_Woyshnis/adobe
© Brandon Woyshnis/adobe
Corvette CR Brandon_Woyshnis/adobe

Viele Deutsche halten sich ja ohne jeden Grund für begnadete Autofahrer und stellen das, was sie eigentlich mehr schlecht als recht beherrschen, gern unter Beweis. Etwa mit einem schicken Drift, weil ein Wheely mit vier Reifen reichlich Übung und noch mehr PS braucht.

17. Jun 2024

Unbeschreiblich dieses Gefühl, wenn man mit durchdrehenden Reifen und ausbrechendem Heck durch die Haarnadelkurve mehr rutscht als fährt. Das setzt Glückshormone frei, das können sich diejenigen, die sich strikt an die Geschwindigkeitsbeschränkung halten und bereits in dritter Generation Mitglied beim ADAC sind, gar nicht vorstellen. Und erst der Fame, der einem sicher ist, wenn man dabei nicht im Graben oder in der Leitplanke landet. Allerdings ist so ein Fahrmanöver nicht ganz ungefährlich. Und auch die Versicherungen versuchen sich ihrer Einstandspflicht zu entziehen, wenn dabei was schiefgeht (LG Coburg, Urt. v. 26.1.?2024 – 24 O 366/23).

Der spätere Kläger fuhr im April 2023 mit seiner Corvette aus dem Hause Chevrolet durch einen Kreisverkehr, der sich für einen Drift geradezu anbot. Zumal er ja nicht allein, sondern mit einem Beifahrer unterwegs war. Und den galt es zu beeindrucken. Das gelang zunächst ganz gut, die Räder drehten qualmend durch, während unser Möchtegern-Motorsportler zwei Runden driftend durch den Kreisel schlidderte. Bei der Ausfahrt geschah dann das Malheur. Das ausbrechende Heck des Chevi ließ sich nicht mehr kontrollieren, stieß gegen einen Bordstein, um sodann von einer dahinterstehenden Mauer unsanft abgefangen zu werden. Der Wagen war danach ein Fall für die Abrissbirne, zumal sich die Versicherung weigerte, den Schaden zu regulieren. Begründung: Der Versicherungsnehmer habe den Unfall mindestens bedingt vorsätzlich verursacht. Das sah der naturgemäß anders; schließlich gehen solche Fahrmanöver in all den eindrucksvollen YouTube- und Insta-Videos ja immer gut aus. Und wer hätte das gedacht? Das LG Coburg schloss sich dem an, weniger wegen wilder Filmchen auf Social Media von derartigen oder ähnlich bescheuerten Fahrmanövern, sondern aufgrund des Verhaltens des Klägers nach dem Unfall. Zwar habe der ob des Umstands, dass sein Chevi im Kampf gefallen ist (oder beinah gefallen wäre), bei der Versicherung nicht geheult, aber seine Unfalldarstellung ließ erkennen, dass sich sein Fahrzeug irgendwann beim Driften außerplanmäßig seiner Kontrolle entzogen habe. Das wiederum lasse den Schluss zu, dass der Abflug Richtung Mauer nicht Teil der Darbietung sein sollte. Zudem habe der Kläger den Havaristen wider jede wirtschaftliche Vernunft reparieren lassen. Und weil die Versicherung ausweislich der Vertragsbedingungen auf den Einwand grober Fahrlässigkeit verzichtet habe, worunter sich der misslungene Drift mühelos subsumieren lasse, hatte unser Fahrkünstler zumindest bei der Schadensregulierung mehr Glück als Verstand (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 10154).

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Dr. Monika Spiekermann ist Redakteurin der NJW.