Keine Verhandlung über Pfusch am Bau ohne Bauteileöffnung. Und wie will man das, was man dann sieht, richtig einordnen, wenn man nur Jura studiert hat, das dafür aber überaus gründlich, und keinerlei handwerkliche Ambitionen hat? In solchen Situationen schlägt dann die Stunde des Sachverständigen, der dem Gericht erläutert, was es da gerade ratlos betrachtet. Vor dem Hintergrund gehört neben einer gehörigen Portion Sachkunde außerdem noch eine anständige Schippe Mut dazu, wenn das Gericht von den Ausführungen eines Sachverständigen abweichen möchte. Das meinte jüngst auch das OLG Celle (Urt. v. 6.3.2024 – 14 U 81/23).
In dem Ausgangsverfahren vor dem LG Hannover stritten die Parteien über die Mangelfreiheit eines vom Kläger erstellten Reitplatzes. Wer nun glaubt, die Errichtung eines solchen Platzes sei jetzt kein Hexenwerk; man gießt ein ausreichend großes Fundament, zieht vielleicht noch einen ausreichend hohen Zaun ums Areal, damit das Ross nicht, noch während es eine Piaffe aufs Parkett bzw. auf den Reitplatz legt, das Weite sucht, und verfüllt das Ganze mit ausreichend Sägespänen oder wie in unserem Fall mit Reitsand mittlerer Art und Güte. Ja, Reitsand, Sie haben richtig gelesen. So was gibt’s und ist auch überaus sinnvoll, weil profaner Sand von Nord- oder Ostsee zum einen ebenda Mangelware ist und zum anderen nicht die erforderliche Trittfestigkeit und -sicherheit aufweist, damit das Pferd nicht stolpert. Und bei dem streitgegenständlichen Reitplatz haperte es eben an der Qualität des verbauten bzw. verstreuten Reitsandes, meinte der Sachverständige in der 1. Instanz. Das wollte sich die Kammer genauer ansehen und fand sich zum Ortstermin ein, mit von der Partie das Pferd der Vorsitzenden, einer passionierten Reiterin. Die schwang sich dann vorm versammelten Gericht in den Sattel und unterzog den Reitplatz einer Nagelprobe. Nach einigen Runden im Schritt, Trab und Galopp stand für sie im Namen des Volkes fest: Reitplatz und Sand sind fabelhaft, der Sachverständige hat keine Ahnung, sie hingegen schon, schließlich sitze sie seit Kindesbeinen im Sattel, Werklohnklage begründet. Das überzeugte das OLG Celle nicht. Zwar könne sich das Gericht über die Ausführungen des Sachverständigen hinwegsetzen; dann müsse es aber darlegen, woraus sich die eigene, und vor allem bessere Sachkunde ergebe. Und selbst wenn die Vorsitzende, was man in Celle gar nicht in Zweifel ziehen wolle, eine exzellente Reiterin sei, folge daraus noch lange keine Expertise in Sachen Reitplatzbau (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter BeckRS 2024, 6011).
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