Denn was früher noch ein Selbstgänger war, etwa Werbekampagnen mit unseren Fußballern kurz vor einer WM oder EM –, dürfte aktuell den Sinkflug eher befeuern. Und auch mit der gesundheitsbezogenen Werbung ist das ja so eine Sache. Nun wollen wir nicht leugnen, dass Bier mit ein paar B-Vitaminen und vielleicht sogar Antioxidantien aufwarten kann; das macht das Gebräu aber noch lange nicht zu einem flüssigen Superfood. Deshalb musste bei einer bayerischen Bierbrauerin auch das Klima herhalten, um den Absatz ihres Hopfensafts anzukurbeln. Denn in Zeiten der Erderwärmung zieht Klima deutlich mehr als unsere Fußballer. Allerdings war das Bier im konkreten Fall nach Ansicht des LG München I (Urt. v. 8.12.2023 – 37 O 2041/23) von der behaupteten Klimaneutralität ähnlich weit entfernt wie unsere Fußballer vom Einzug ins Heim-EM-Finale.
Die spätere Beklagte klotzte auf dem Etikett des von ihr produzierten "Wunderbraeu" mit vollmundigen Angaben zu ihrem unter Umweltgesichtspunkten optimierten Herstellungsprozess. Der war nicht nur – wie bereits erwähnt – klimaneutral, sondern förderte außerdem ein "CO2"-positives Bier zutage. Solche Angaben provozieren beim stets kritischen Verbraucher, der sich im Vorfeld regelmäßig darüber informiert, was er da in sich hinein zu kippen gedenkt, Fragen, die beantwortet werden wollen. Das sollte mittels QR-Code auf der Flasche gelingen, der direkt auf die Internetseite der Herstellerin führte. Dort konnte man nach einigem Suchen nachlesen, dass die Herstellerin schon einiges angestoßen hatte, um Mutter Natur mit der Herstellung ihrer Hopfenbrause möglichst wenig zu belasten. Ob sich aber der Klimakollaps aufhalten lässt, indem man regionale Zutaten, Wasserkraft sowie neutrale Mehrwegflaschen und -kisten für den Brauprozess verwendet, an dessen Ende ein CO2-positives Bier steht, das sich der umweltbewusste Verbraucher ganz ohne schlechtes Gewissen gönnen kann, darf man bezweifeln. Genau das tat die spätere Klägerin, ihres Zeichens Wettbewerbshüterin, die die bunten Umweltangaben einem Reality-Check unterzog und dabei auf reichlich Intransparenz stieß, auch bei den Angaben zum Brauort. Denn der befand sich nicht, wie von der Herstellerin behauptet, in der bayerischen Landeshauptstadt, sondern irgendwo in der weiß-blauen Prärie. Eine Abmahnung sollte zu einer grundlegenden Überarbeitung des irreführenden Etiketts führen, führte aber tatsächlich zu nichts. Deshalb landete der Fall beim LG München I, das sich auf die Seite der Wettbewerbshüterin schlug. Die Information zum klimaneutralen Herstellungsprozess wertete es als Greenwashing, und bei den Angaben zum Brauort hätte es sich auch mehr Genauigkeit gewünscht. Denn um aus dem Gerstensaft ein echtes Münchener Kindl zu machen, reiche es nicht, dass man dort nur verwaltet, was andernorts hergestellt wird (die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter GRUR-RS 2023, 38123).
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