NJW-Editorial

Zustellungsrecht der Zukunft

Eine Effizienzsteigerung des Zivilprozesses ist überfällig. In Berlin scheut man Änderungen in der ZPO aber wie der Teufel das Weihwasser. Jetzt haben eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Kommission und eine Arbeitsgruppe von Gerichtspräsidentinnen und -präsidenten ihre Ansätze für den „Zivilprozess der Zukunft“ veröffentlicht.

20. Feb 2025

 Die Verfahrenseffizienz halten sie für „ein prägendes Element“. Jedenfalls mit Blick auf die Zustellungsprobleme in der Praxis greifen die Vorschläge indes zu kurz – obwohl die Rufe aus der Richterschaft und der Anwaltschaft unüberhörbar sind: Wir brauchen „zeitgemäße Instrumente“ und müssen das Zustellungsrecht ins 21. Jahrhundert bringen“, so der Appell eines Vorsitzenden Richters am Landgericht auf LinkedIn mit Blick auf die Probleme bei der Zustellung an Plattformbetreiber in Irland.

Gut ist der Vorschlag der Expertengruppen, eine Zustellungsfiktion für die Zustellung elektronischer Dokumente einzuführen. Das ist auch für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt überfällig (s. GRUR-Prax 2016, 250). Auch der Vorschlag einer bundeseinheitlichen Kommunikationsplattform, über die zugestellt wird, ist ein Anfang.

Es sind jedoch viel weitergehende Vorschläge erforderlich, um das Zustellungsrecht in das 21. Jahrhundert zu bringen. Es ist grotesk, dass man für die Parteizustellung einer einstweiligen Verfügung an eine Naturalpartei innerhalb von Frankfurt zwingend einen Gerichtsvollzieher benötigt, wohingegen bei der Parteizustellung von Berlin nach Frankreich die direkte Postzustellung möglich sein soll (OLG Düsseldorf GRUR 2024, 1378). Wer die Probleme in der Praxis kennt – wie § 193 I 3 ZPO (Medienbruch nur durch den Gerichtsvollzieher persönlich), um noch ein Beispiel zu nennen –, weiß: Es geht um mehr als die Kommunikationsplattform und Zustellungsfiktion in Deutschland. Das Zustellungsrecht gehört radikal vereinfacht. Eine europäische Perspektive wäre sinnvoll.

Wie sollen Verbrauchertäuschungen und -gefährdungen, Persönlichkeitsverletzungen und die Verletzung geistigen Eigentums im Fall der Plattformhaftung effizient gestoppt werden, wenn die Zustellung einer Beschlussverfügung an Diensteanbieter in Irland Wochen dauert? Beim Digital Services Act wurde versäumt, eine schnelle Parteizustellung an Diensteanbieter mit Sitz in der EU zu ermöglichen (Stichwort: Zustellungsbevollmächtigte). Ganz zu schweigen von Zivilverfahren gegen Diensteanbieter in Asien, die sich auf den Standpunkt stellen, ihr EU Digital Services Representative sei kein zustellungsbevollmächtigter Vertreter für private Rechtsstreitigkeiten (vgl. Art. 13 DSA). Das alles ist „enforcement unfriendly“. 

Defizite im Zustellungsrecht führen zu rechtsdurchsetzungsfreien Räumen. Verfahrenseffizienz in der Zukunft wird nur erreicht, wenn digitaler und europäischer gedacht wird.

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Rechtsanwalt Oliver Löffel ist Partner von Löffel Abrar, Düsseldorf.