NJW-Editorial

Alte und neue „Todsünden“
NJW-Editorial

Die Straßenverkehrsgefährdung beschäftigt Justiz und Verteidigung vor allem in Gestalt nicht folgenlos gebliebener Fahrten unter dem Einfluss betäubender Substanzen (§ 315c I Nr. 1 StGB). Zuweilen geht es auch um die dort in Nr. 2 erfassten „sieben Todsünden im Straßenverkehr“, die im Arbeitskreis IV des gerade beendeten Verkehrsgerichtstags auf den Prüfstand gestellt wurden. 

13. Feb 2025

Die dazu gefassten Empfehlungen wirken eher unspektakulär: Die Aufnahme des falschen Fahrens im Bereich von Bau- und Unfallstellen sowie auch an durch Lichtzeichenanlagen gesteuerten Fußgängerfurten scheint eine schlüssige Ergänzung des Tatbestandskatalogs. Demgegenüber mag es nach einer unfallstatistischen Betrachtung geboten sein, die nicht auf ausreichende Entfernung vorgenommene Kenntlichmachung von Pannen-Fahrzeugen zu streichen.

Polarisierend wirkt dagegen der Vorschlag, auch die Benutzung eines elektronischen Geräts, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, unter Strafe zu stellen. Freilich bedürfte es dafür wie üblich und zwecks Abgrenzung zu § 23 Ia und Ib StVO zusätzlich der Feststellung grober Verkehrswidrigkeit und Rücksichtslosigkeit sowie einer Fremdgefährdung von Leib, Leben oder Sachen von bedeutendem Wert. Ebenso wenig, wie allein aus einer hohen Geschwindigkeitsüberschreitung stets auf ein verbotenes Kraftfahrzeugrennen gegen sich selbst (§ 315d I Nr. 3 StGB) geschlossen werden darf, wäre bei Umsetzung der VGT-Empfehlung zu erwarten, dass künftig jede verbotswidrige Handheld-Benutzung sogleich zu einer Geld- oder gar Freiheitsstrafe und wegen § 69 I, II Nr. 1 StGB regelmäßig zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen könnte.

Während uns Juristen diese Detailfragen zur Differenzierung zwischen Straftaten und Ordnungswidrigkeiten geläufig sind, ist solche Sachkenntnis von rechtlichen Laien nicht zu erwarten. Vielleicht würde die Sorge um den Erhalt ihrer Mobilität manche Verkehrsteilnehmer tatsächlich abschrecken, ohne Not am Steuer „manuellen“ Gebrauch von ihrem Mobiltelefon zu machen. Was in der Praxis der Rechtsverfolgung aber wohl unverändert bliebe, wären die gemeinhin bekannten Probleme, die auch nach der Ausweitung des Bußgeldtatbestands noch immer dazu führen, dass Verfahren eingestellt werden müssen, weil eben eine Benutzung eines bestimmten Geräts nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen richterlichen Überzeugung festgestellt werden kann. Und auch die erhebliche Dunkelziffer unentdeckter Handheld-Verstöße bliebe ohne moderne Kontrollmöglichkeiten bestehen. Der Vorschlag könnte sich dadurch am Ende auf Gesetzgebungssymbolik in der gut gemeinten Hoffnung auf eine Vermeidung hoher Unfallrisiken reduzieren. 

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Dr. Sven Hufnagel ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht und Fachanwalt für Strafrecht in Aschaffenburg.