NJW-Editorial

Loser-Klausel für die eAkte
NJW-Editorial

Als Loser-Klausel wurde Art. 24 eJusticeG bezeichnet, der es erlaubte, die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs 2018 hinauszuschieben, wären die jeweiligen Gerichte nicht rechtzeitig empfangsbereit gewesen. 

7. Aug 2025

Dass diese Norm stets als Loser-Klausel bezeichnet wurde, hatte sicher seinen Anteil daran, dass kein Bundesland hiervon Gebrauch machte und bundesweit einheitlich seit 2018 der zuvor bestehende Flickenteppich des ERV bei den Gerichten verschwunden war. Kein Bundesland wollte „der Loser“ sein.

Nun wird erneut eine Loser-Klausel in Betracht gezogen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über die Einführung der elektronischen Akte in der Justiz vorgeschlagen, der es erlaubt, im Verordnungswege in Straf-, Bußgeld-, Zivil- und gerichtlichen Vollzugsverfahren sowie in den Mahnverfahren der Arbeitsgerichtsbarkeit die Einführung der eAkte bis längstens 2027 hinauszuschieben (Opt-Out). Eigentlich wäre der 1.1.​2026 der gesetzliche Stichtag.

Der Blick zurück offenbart ein absehbares Drama in einem viel zu langen Akt. Mit der Einführung der eAkte sollte auch die Softwarelandschaft der Justiz vereinheitlicht werden, um den Support und die Programmpflege zu erleichtern. Eigentlich eine gute Idee, die allerdings die Unterschiede in den Bedürfnissen der Gerichtsbarkeiten außer Acht gelassen hatte. Fokus der Planungen war immer das amtsgerichtliche Zivilverfahren. Zudem waren die Digitalisierungsideen wenig innovativ. Statt disruptiv Abläufe zu überdenken, wurde die Arbeitsweise eines Amtsgerichts des 19. Jahrhunderts digitalisiert – einschließlich der Möglichkeit, Verfügungen als elektronischen Stempel (!) anzubringen. Vor allem die Fachgerichte waren hier mit der bereits eingesetzten Software schon längst viel weiter. Passte nun also das konzipierte eAkten-Verfahren vielleicht noch für die Amts- oder Landgerichte in Zivilsachen, stießen viele „Features“ in den Fachgerichten auf Kopfschütteln. Change requests wurden geschrieben, umgesetzt oder verworfen, jedenfalls knappe finanzielle und personelle Ressourcen der IT-Stellen und Softwarehersteller verbraucht. Ressourcen, die nun 2025 für die am Schluss des Zeitplans stehenden Strafgerichte oder für arbeitsgerichtliche Mahnverfahren, die es so nur an zwei Gerichten deutschlandweit gibt, nicht mehr vorhanden waren. Das Einknicken vor der Trägheit der Technikeinführung hat leider Parallelen: Bereits beim eEB musste der Gesetzgeber zurückrudern. Zudem wird Behörden durch die BehAktÜbV nun bis 2028 Zeit gegeben, digitale Akten an die Gerichte zu senden.

Ist die Loser-Klausel also schlecht? Nein, sie ist unumgänglich, um wichtige Gerichtsverfahren im Interesse der Rechtsuchenden, aber zulasten der Modernität, nicht zu gefährden. Diesmal wird es viele (lucky) „Loser“ geben.

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Prof. Dr. Henning Müller ist Direktor des SG Darmstadt.