NJW-Editorial

AGB-Reform – aber richtig!

Im Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ haben die Regierungsparteien vereinbart, das AGB-Recht zu reformieren, „um sicherzustellen, dass sich große Kapitalgesellschaften nach § 267 III HGB […] darauf verlassen können, dass das im Rahmen der Privatautonomie Vereinbarte auch von den Gerichten anerkannt wird“.

17. Jul 2025

Damit greifen sie ein verbreitetes Anliegen auf: Zuletzt im Zusammenhang mit der Schaffung von Commercial Courts durch das Justizstandort-Stärkungsgesetz war konstatiert worden, dass die Attraktivität des Rechtsstandorts Deutschland für internationale Wirtschaftsstreitigkeiten stark unter dem AGB-Recht in seiner strengen höchstrichterlichen Auslegung für B2B-Verträge leidet. Dieser Hemmschuh soll endlich entfernt oder zumindest reduziert werden – ein lobenswertes Unterfangen (Berger/Reiss NJW 2025, 1311).

Doch gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht. Die Regierungskoalition möchte sich bei der Reform offenbar am Vorbild des § 310 Ia BGB orientieren, wonach die AGB-Kontrolle für bestimmte Bank- und Finanzgeschäfte im B2B-Sektor unter anderem dann nicht eingreift, wenn der Vertragspartner ein „großer Unternehmer“ iSv § 310 Ia 3 BGB ist. Für eine allgemeine Bereichsausnahme von der AGB-Kontrolle im B2B-Verkehr ist die „Größe“ der beteiligten Unternehmen aber kein sinnvoller Anknüpfungspunkt.

Anerkanntermaßen soll das AGB-Recht im Ausgangspunkt den Vertragspartner dort schützen, wo er auf den Klauselinhalt mangels Verhandlungsmacht keinen eigenen Einfluss nehmen kann. Das hängt allerdings nicht unmittelbar mit der „Größe“ des Unternehmens, bestimmt nach Bilanzsumme, Umsatz oder Arbeitnehmerzahl, zusammen. Auch für einen Milliardenkonzern lohnt es sich nicht, beim Kauf eines einzelnen PCs die Rechtsabteilung für intensive Vertragsverhandlungen zu mobilisieren. Umgekehrt treten als Käuferinnen in millionenschweren Unternehmenstransaktionen häufig eigens zu diesem Zweck gegründete Mantelgesellschaften auf, die außer über 25.000 EUR Stammkapital über keinen weiteren Geschäftsbetrieb verfügen. Der Plan aus dem Koalitionsvertrag würde zu dem absurden Ergebnis führen, dass der PC-Kauf des Konzerns von der AGB-Kontrolle freigestellt wäre, die M&A-Transaktion dagegen nur unter der – nach der BGH-Rechtsprechung äußerst unsicheren – Voraussetzung, dass jede einzelne problematische Klausel „im Einzelnen ausgehandelt“ wurde (§ 305 I 3 BGB).

Die Beispiele deuten aber an, in welche Richtung eine Reform gehen müsste, die den Schutzzweck des AGB-Rechts konsequent im B2B-Sektor weiterdenkt (im Anschluss an Leuschner AcP 207 [2007], 491, 524): Die Klauselkontrolle sollte auf Verträge bis zu einem gewissen Volumen – beispielsweise 1 Mio. EUR – beschränkt werden. Bei höheren Volumina lohnt es sich für jede Partei, den Vertrag mit professioneller Beratung zu verhandeln. Wer darauf verzichtet, hat den Schutz des AGB-Rechts nicht verdient – egal wie „groß“ sein Unternehmen ist. 

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Prof. Dr. Thomas Riehm, Lehrstuhl für deutsches und europäisches Privatrecht, Zivilverfahrensrecht und Rechtstheorie, Universität Passau.