Entlastung ergab sich für den Luftbeförderer beim Nachweis eines für die Annullierung kausalen außergewöhnlichen Umstands. Der EuGH übertrug dieses Modell auf große Ankunftsverspätungen. Demgegenüber sah die supranationale Legislative bei Zugausfällen und Verspätungen im Jahr 2007 abweichende Regeln in der Fahrgastrechte-VO vor. So galt ein ticketpreisbezogenes sowie pauschalisiertes Minderungsmodell. Wegen der Verschuldensunabhängigkeit gab es zu Recht keine Entlastungstatbestände (EuGH EuZW 2013, 906 mAnm Staudinger). Allerdings zeigte die Reform dieser Verordnung im Jahr 2021, dass die Staaten im eigenen Interesse Entlastungsmöglichkeiten für die Bahn schufen, nämlich außergewöhnliche Umstände wie extreme Witterungsbedingungen, große Naturkatastrophen oder schwere Krisen im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Die Novellierung führte so zu einem Abbau des Schutzstandards, obschon bei einem Minderungsmodell Entlastungstatbestände wie ein „square peg“ wirken. Dies belegt auch ein Vergleich mit Art. 14 I und III lit. c) der aktuellen Pauschalreiserichtlinie.
Nun droht ein vergleichbarer Rückschritt bei der Reform der Fluggastrechte-VO, indem der Rat (Pressemitteilung 448/25 vom 5.6.2025) es befürwortet, einerseits Stunden als Schwellenwerte anzuheben und zugleich die außergewöhnlichen Umstände als Entlastungstatbestände massiv auszubauen. Hiervon befreit schon „normales Wetter“, erkranktes Personal oder mitunter dessen Streik. Man mag ins Feld führen, dass der Rechtsakt kein klassisches Verbraucherschutzinstrument ist, sondern auch Geschäftsreisende einbezieht. Ebenso lässt sich hören, dass ticketpreisunabhängige Sanktionen mit Pauschalen ohnehin aus dem Rahmen des europäischen Gewährleistungsrechts fallen. Dann aber wäre es konsequenter, ein einheitliches System für Flug- und Fahrgastrechte zu schaffen, was sich ebenso in das Pauschalreiserecht einfügt. Denn die Ungereimtheiten liegen bei einer Flugpauschalreise mit rail & fly auf der Hand. Der Rat hingegen bleibt auf dem dogmatisch kritikwürdigen Weg, schafft aber einen Papiertiger. Zudem steht bereits die Reform der Pauschalreiserichtlinie auf der Agenda. Kann es überzeugen, einem ausführenden Luftbeförderer weitergehende Entlastungen zu eröffnen als dem Reiseveranstalter seinen Kunden gegenüber, die bislang auch Geschäftsreisende sein können? Vor allem erscheint ungereimt, dass wohl die Insolvenzabsicherung für Pauschalreisen noch effektuiert werden soll. Demgegenüber spart der Rat wieder einmal dieses Thema bei der Nur-Beförderung aus, obschon hier der Kunde den vollen Flugpreis teils Monate vorweg leistet.
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