Jüngst stieg in Karlsruhe weißer Rauch auf. Nicht am Schlossplatz, wo das BVerfG weiterhin auf einen Nachfolger für Josef Christ wartet, sondern 800 Meter weiter südlich in der Herrenstraße beim Bundesgerichtshof. Elf neue Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte beim BGH waren gefunden.
Es gibt nun wieder 46 Advokaten, die sich statt in schwarze in karmesinrote Roben hüllen dürfen. Die Wahl von BGH-Anwälten ist nicht nur fast so geheimnisvoll wie die eines neuen Papstes im Konklave, sondern auch ebenso selten – zuletzt waren 2006 und 2013 neue BGH-Anwälte auserkoren worden.
Die jüngste Wahl hat wieder einmal die immergrüne Diskussion über Für und Wider der Existenz einer gesonderten BGH-Anwaltschaft (in Zivilsachen) angefacht. In dieser ist bereits fast alles von fast jedem gesagt. Vieraugenprinzip, Filterfunktion, Waffengleichheit, besonderes Know-how im Revisionsrecht rufen die Befürworter. Closed shop, mangelnde Spezialisierung im materiellen Recht, kaum Wahlmöglichkeiten für die Parteien und die Entbehrlichkeit eines Sonderwegs in Zivilsachen halten die Kritiker entgegen. Der Verzicht auf eine besondere Auftretungsbefugnis wäre angesichts des Fehlens vergleichbarer Beschränkungen vor allen anderen Bundesgerichten (und in anderen Verfahrensarten beim BGH) zwar eine offensichtliche, aber auf Befragen der Anwaltschaft keineswegs die von ihr selbst präferierte Lösung: Vor einigen Jahren sprachen sich weniger als 10 % der Anwaltschaft hierfür aus. Bei den Betroffenen finden vermittelnde Lösungen, die eine Auftretungsbefugnis vor dem BGH an eine Weiterbildung („BGH-Fachanwalt“) oder eine Mindestberufserfahrung knüpfen, deutlich mehr Zustimmung (NJW 2017, 1659).
Entsprechende Forderungen verhallen aber bislang ungehört. Vielleicht würde bereits das Drehen an kleineren Stellschrauben die Kritiker ein wenig besänftigen: Das Verfahren der Wahl neuer BGH-Anwälte mit der starken Stellung der von ihr unmittelbar Betroffenen – BGH und BGH-Anwaltschaft – beruht im Kern bis heute auf § 99 RAO von
1878. Die Regelung wurde schon vor 150 Jahren im Reichstag kritisiert und die Federführung des Reichskanzlers (gemeint war das damals noch bei ihm ressortierende Reichsjustizamt) statt des Reichsgerichts gefordert. Bereits 1908 zog Max Friedlaender, der Nestor des deutschen Berufsrechts, in seinem Berufsrechtskommentar das Fazit,
dass sich der Glaube an die Sinnhaftigkeit einer starken Rolle des betroffenen Gerichts bei der Auswahl der vor ihm tätigen Anwälte als Utopie erwiesen habe. In der BRAO kam es ab 1959 zwar zu einer über ein bloßes Anhörungsrecht hinausgehenden Beteiligung der externen Anwaltschaft. Mit der Modernisierung des Berufsrechts, insbesondere
der kontinuierlichen Stärkung der anwaltlichen Selbstverwaltung in Zulassungsfragen, haben die Regelungen zum Zugang zur BGH-Anwaltschaft aber nicht Schritt gehalten. Sie sind im Berufsrecht des Jahres 2025 letztlich ein Anachronismus.
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Prof. Dr. Matthias Kilian ist Direktor des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln.