NJW-Editorial

Ist § 1365 BGB (noch) zeitgemäß?
NJW-Editorial

Rechtsgeschäfte über das (nahezu) gesamte Vermögen werden in der Zugewinnehe durch § 1365 BGB rigoros vinkuliert, einerlei, ob das Hausgrundstück oder zum Beispiel eine Gesellschaftsbeteiligung betroffen ist. 

13. Mrz 2025

Ein vergleichbarer Schutz für die Gütertrennungsehe besteht nicht – und doch soll die Vinkulierung nicht (primär) einen zukünftigen Zugewinnausgleich sichern, sondern im Interesse der Familiengemeinschaft Eigenmächtigkeiten eines Ehegatten unterbinden, welche der Familie ihre wirtschaftliche Grundlage entziehen könnten. Außer Frage steht, dass diese Ehegattenvinkulierung misslungen ist, weshalb sie von Anbeginn Kritik ausgesetzt war.

Die Rechtsprechung hat die Ehegattenvinkulierung in mancherlei Hinsicht überdehnt (trotz notdürftiger Eindämmung über die sog. „subjektive Theorie“): So sind auch Rechtsgeschäfte über Einzelvermögensgegenstände (sofern das nahezu gesamte Vermögen bildend) erfasst; zudem soll die erhaltene Gegenleistung in jedem Fall ausgeblendet bleiben, selbst dann, wenn der Ehegatte ein „gutes Geschäft“ machen würde und damit keinerlei Entwertung eines Zugewinnausgleichsanspruchs drohte. Das führt vor allem im Gesellschaftsrecht zu teils grotesken Folgen: Auch bloße Vermögensumschichtungen (vor allem: Einbringungen des nahezu gesamten Vermögens eines Unternehmerehegatten in eine von diesem zu hundert Prozent gehaltene Gesellschaft) sind damit ohne Zustimmung des Nicht-Unternehmer-Ehegatten von Fall zu Fall unwirksam; überhaupt führt § 1365 BGB zu einem vielfach überschießenden Hineinregieren des Familien- in das Gesellschaftsrecht (mit erheblichem Erpressungspotenzial im Scheidungsfall), falls die Ehegattenvinkulierung nicht – wie meist – der ehevertraglichen Abbedingung anheimgefallen ist.

Nimmt man den apostrophierten Schutz der Familiengemeinschaft ernst, so kommt man umgekehrt unweigerlich zu dem Befund, dass die Bestimmung ihren Schutzzweck allzu häufig verfehlt. So bleibt nur begriffsjuristisch erklärbar, weshalb etwa Verfügungen über die Ehewohnung, sofern (aber auch nur sofern!) das wesentliche Vermögen ausmachend, vinkuliert sind, ein Ehegatte indes konsenslos ungleich riskantere Verbindlichkeiten eingehen kann, wie beim Kauf eines Hausgrundstücks. Einen effektiveren, pauschal (nur) an die „Familienwohnung“ anknüpfenden Schutz bietet Art. 5 Deutsch-französisches Abk. über den Güterstand der Wahl-Zugewinngemeinschaft (WZGA). Da eine Änderung der Rechtsprechung nicht zu erwarten steht, ist der Gesetzgeber aufgerufen, die überfällige Reformierung der Ehegattenvinkulierung voranzutreiben, vorzugswürdig in Anlehnung an die Bestimmung des WZGA, zu verorten jedoch – systematisch allein überzeugend – im Bereich der allgemeinen Ehewirkungen. Die Ehegattenvinkulierung würde damit einerseits auf ein erträglicheres Maß reduziert, andererseits könnte sie wahrhaft (gegenständlichen!) Schutz der Lebensgrundlage einer jeden Familie gewähren – und zwar güterstands- und vermögensunabhängig. 

Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt.

Dr. Johannes Scheller ist Notar in Hamburg.