NJW-Editorial
Unvollendete Gesetze
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© NJW/Harald Schnauder

Die Legislaturperiode endet nach derzeitigem Stand vorzeitig. Bis dahin verfügt die Bundesregierung über keine parlamentarische Mehrheit. Damit ist klar: Viele Gesetzesvorhaben, die bereits auf dem Weg sind, werden auf der Strecke bleiben – weil dafür keine Mehrheiten organisiert werden können oder weil schlicht die Zeit nicht reicht, um noch rechtzeitig das parlamentarische Verfahren zu durchlaufen. Sachliche Diskontinuität ist an sich nichts Besonderes, aber diesmal fällt ausgerechnet eine im regulären Verlauf einer Wahlperiode ansonsten sehr produktive Phase der Gesetzgebung ins Wasser. Dies ist unabhängig davon, wie man zu den einzelnen Reformen inhaltlich steht, misslich im Sinne der Fortentwicklung des Rechts.

14. Nov 2024

Sachliche Diskontinuität ist an sich nichts Besonderes, aber diesmal fällt ausgerechnet eine im regulären Verlauf einer Wahlperiode ansonsten sehr produktive Phase der Gesetzgebung ins Wasser. Dies ist unabhängig davon, wie man zu den einzelnen Reformen inhaltlich steht, misslich im Sinne der Fortentwicklung des Rechts.

Schon eine kleine Auswahl von für die Rechtspraxis bedeutsamen Reformen macht deutlich, wie unvollendet die geplante Rechtsetzung bleibt. Drei wichtige Reformen im Familienrecht stehen noch aus: die Novellen im Kindschaftsrecht, im Abstammungsrecht und im Unterhaltsrecht. Eigentlich sollten die Gesetzentwürfe jetzt im Herbst ins Kabinett, mit dem Koalitionsbruch dürften sie sich erledigt haben.

Ein ähnliches Schicksal erleiden wohl die geplanten Modernisierungen der ZPO und der StPO, was für die Justizdigitalisierung eine schlechte Nachricht ist. Das geplante Gesetz zur Erprobung von Online-Verfahren im Zivilprozess, für die eigens ein neues 12. Buch in die ZPO eingefügt werden soll, wäre eine wichtige Weichenstellung gewesen, auch im Hinblick auf die Entwicklung einer einheitlichen Justizplattform. Mit der Umsetzung des Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung war schon unabhängig vom Ampel-Aus kaum mehr zu rechnen, schade ist es um dieses Vorhaben dennoch.

Auch im Arbeitsrecht schaffen es wichtige Reformen voraussichtlich nicht ins Ziel, etwa die Anpassung der Regelungen zur Arbeitszeiterfassung im ArbZG an die Rechtsprechung von EuGH und BAG, für die es schon seit März 2023 einen Referentenentwurf gibt. Aus den erst kürzlich von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) geäußerten Plänen für eine Flexibilisierung der Arbeitszeit durch die Vorgabe einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit wird erst recht nichts. Den für diesen Monat angekündigten Entwurf kann er gleich wieder einpacken.

Was könnte noch klappen? Hoffentlich die Stärkung der Resilienz des BVerfG durch eine verfassungsrechtliche Absicherung der statusprägenden Regelungen. Über das Vorhaben gibt es einen breiten politischen Konsens. Hoffnung macht auch, dass Ex-Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) in seiner Erklärung zu seinem Entlassungsgesuch in der vergangenen Woche schrieb, dass „dieser wertvolle Kompromiss“ nicht der Diskontinuität anheimfallen dürfe. 

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Rechtsanwalt Tobias Freudenberg ist Schriftleiter der NJW, Frankfurt a. M.