NJW-Editorial
Preiswerteres Bauen?
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Ende Juli hat das Bundesjustizministerium den „Entwurf eines Gesetzes zur zivilrechtlichen Erleichterung des Gebäudebaus (Gebäudetyp-E-Gesetz)“ vorgelegt. Er verfolgt insgesamt drei Ziele, die sich vereinfacht wie folgt zusammenfassen lassen: Differenzierung zwischen „wichtigen“ und „weniger wichtigen“ anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) (§ 650a III BGB) sowie Befreiung von als zu weitgehend empfundenen Aufklärungspflichten im Vertrag zwischen baugewerblich fachkundigen Unternehmen (§ 650o I–III BGB). 

19. Sep 2024

Zudem soll ein Abweichen von den a.a.R.d.T. unter bestimmten Umständen beim Gebäudebauvertrag (§ 650o III BGB) keinen Mangel begründen.

Der Entwurf des neuen § 650a III BGB gilt für alle Bau- und Architektenverträge, mithin auch für den Verbraucherbauvertrag. Inhalt ist, dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz der widerleglichen Vermutung, dass die in Normungen niedergelegten Regelungen a.a.R.d.T. sind, eine ebenso widerlegliche gesetzliche Vermutung entgegenzustellen, nach der Normungen, die reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale abbilden, keine a.a.R.d.T. mehr sind. Bei sicherheitsrelevanten technischen Normungen soll die bisher durch die Rechtsprechung entwickelte Vermutung zu einer gesetzlichen gestärkt werden. Technische Festlegungen, die prima facie weder sicherheitsrelevant sind noch reine Ausstattungs- und Komfortmerkmale abbilden, sollen im Einzelfall der Würdigung des Gerichts unterliegen, welcher Kategorie sie zuzuordnen sind. § 650a III BGB ist grundsätzlich zu begrüßen, denn er nimmt den größeren Teil der a.a.R.d.T. von der stillschweigenden Vereinbarung aus. Es wird auch künftig Diskussionen darüber geben, bei welchen Normungen es bei der bisherigen Regelung bleibt und welche der neuen gesetzlichen Vermutung unterfallen. Eine solche Norm könnte die durchaus relevante DIN 4109 (Schallschutz im Hochbau) sein, die nicht ohne Weiteres einer der beiden Kategorien zugeordnet werden kann. Inwieweit die Regelung in § 650o I–II BGB (Gebäudebauverträge) sinnvoll ist, wird sich zeigen. Wer innovativ bauen wollte, konnte dies auch in der Vergangenheit. Derart Bauende wussten stets, dass sie ihre Vertragspartner umfassend vom Abweichen von den a.a.R.d.T. unterrichten mussten. § 650o III BGB ist hingegen überflüssig. Auch heute gilt, dass nicht jeder Mangel Rechtsfolgen nach sich zieht. 2002 hat der Gesetzgeber bewusst den § 635 III BGB eingeführt, nach dem der Unternehmer die Mangelbeseitigung verweigern kann, wenn sie ihm unzumutbar ist – nämlich immer dann, wenn die Kosten der Beseitigung in keinem vernünftigen Verhältnis zu dem dadurch erzielten Vorteil für den Besteller stehen.

Der Wunsch, preiswerter zu bauen, muss im Bauordnungsrecht gesucht werden. Die Landesgesetzgeber müssen sich hier insbesondere fragen, welche der unzähligen Anforderungen gestrichen werden können.

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Christoph Conrad ist ua Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Berlin.