NJW-Editorial
E-Scooter: Ärgernis statt Verkehrswende

Der E-Scooter ist erst seit 2019 auf deutschen Straßen unterwegs; rechtlich durch die Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV) geregelt. Er sollte die Verkehrswende im Nahverkehr als echte zusätzliche Alternative („der letzte Km“) zum Auto voranbringen. Diese Hoffnung hat sich – bis jetzt jedenfalls – in keiner Weise erfüllt.

15. Aug 2024

Auch die Regulierung der elektrischen Roller ist in ständiger Diskussion. Nachdem die Verkehrssicherheit von Elektrokleinstfahrzeugen auf dem 58. Verkehrsgerichtstag (VGT) 2020 (AK V) bereits ein zentrales Thema war, folgten beim VGT 2022 (AK VI) das Haftungsrecht (§ 8 Nr. 1 StVG keine Gefährdungshaftung) und beim VGT 2023 strafrechtliche Probleme bei der Trunkenheit mit E-Scootern & Co.

Auch vor dem Hintergrund der Zunahme von Unfällen mit E-Scooter-Beteiligung hat das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) nun einen Entwurf zur Änderung der Elektrokleinstfahrzeuge-VO vorgelegt. Ab 2027 sollen neu zugelassene E-Scooter verpflichtend mit einem Blinker ausgestattet werden. Auch soll die technische Ausstattung der Roller (unter anderem getrennte Vorder- und Rückbremse) verbessert werden. Zudem sollen die Regeln für den E-Scooter noch mehr den Radverkehrs­regeln angepasst werden. Dort, wo Radverkehr freigegeben ist, soll auch der Verkehr mit E-Scootern freigegeben werden. Es überrascht nicht, dass insoweit die bisherigen Reaktionen auf den Entwurf sehr unterschiedlich sind. Während Verleihfirmen die geplanten Änderungen begrüßen, nennt der Fachverband Fußverkehr dies eine „grobe ­Attacke“ auf die Menschen zu Fuß. Wenn der ohnehin begrenzte Verkehrsraum zwischen mehr Teilnehmern aufgeteilt wird, wird es zu mehr gefährlichen Verkehrssituationen kommen. Nach dem Entwurf haben aber die Kommunen ein Jahr Zeit zu prüfen, ob sie ein Verbot von Elektrokleinstfahrzeugen auf für Radverkehr freigegebenen Fußgängerflächen erlassen.

Besonders in der Kritik ist weiterhin, dass der Entwurf keine Änderung der zivilrecht­lichen Haftungssituation vorsieht. Der E-Scooter ist, obwohl er ein Kfz ist (§ 1 II StVG, § 2 FZV), haftungsrechtlich dem Fahrrad angenähert. Es gibt keine Gefährdungs-, sondern nur eine Verschuldenshaftung aus § 823 BGB. In einem Schadensfall hat ein Geschädigter daher nur dann Ersatzansprüche, wenn er einen Verschuldensnachweis führt. So sind unter anderem Klagen wegen umgestürzter Scooter abgewiesen worden, weil kein Verschulden nachgewiesen werden konnte und allein das Abstellen auf dem Gehweg keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellt (vgl. Figgener/Wendland NJW-Spezial 2024, 9). Es wäre wünschenswert gewesen, wenn der Entwurf der Empfehlung des 60. VGT 2022 zu einer Einführung der Gefährdungshaftung auch für E-Scooter gefolgt wäre.

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Rechtsanwalt Prof. Dr. Rainer Heß, LL.M., ist Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht​in der Kanzlei Dr. Eick & Partner in Bochum.