Urteilsanalyse
Duldungsanspruch des Mieters auf Installation einer Ladestation für elektrisch betriebene Fahrzeuge
Urteilsanalyse
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Mieter können - so das Landgericht München I - gem. § 554 Abs. 1 S. 1 BGB vom Vermieter verlangen, dass der Vermieter die Installation einer Ladestation für elektrisch betriebene Fahrzeuge duldet. Dabei dürfe der Mieter entscheiden, welches Unternehmen mit der Baumaßnahme beauftragt wird, soweit dies für den Vermieter zumutbar ist.

2. Sep 2022

Anmerkung von
Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolf-Rüdiger Bub und Rechtsanwalt Nikolay Pramataroff,  Rechtsanwälte Bub, Memminger & Partner, München, Frankfurt a.M.

Aus beck-fachdienst Miet- und Wohnungseigentumsrecht 18/2022 vom 01.09.2022

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Sachverhalt

Mit der Klage begehrten die Kläger von ihrer Vermieterin die Erlaubnis zur Errichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeugs durch die X GmbH. Die Kläger haben hierzu in erster Instanz beantragt, dass die Beklagte verurteilt wird, den Klägern die bauliche Veränderung der angemieteten Garage mit der Nr. X in der Tiefgarage durch die Einrichtung einer Elektroladestation für das Laden eines Elektro-/Hybridfahrzeugs durch die X-GmbH & gegen Kostenübernahme durch die Kläger zu erlauben.

In der Tiefgarage befinden sich 200 Stellplätze, drei davon sind mit Elektroladeboxen versehen, die nicht von zuvor von der X-GmbH installiert worden sind. Sofern mehr als zehn Ladeboxen installiert werden müssen, kann dies aus technischen Gründen nur durch die Stadtwerke München vorgenommen werden. Die X-GmbH bietet günstigere Konditionen an als die Stadtwerke München.

Die Beklagte meint, dass eine Installation nur durch die Stadtwerke München vorgenommen werden kann, da sie damit rechnet, dass in Zukunft mehrere Mieter entsprechende Ladeboxen wünschen und sie die Mieter gleich behandeln möchte. Den Klägern könnte ein Kontrahierungszwang mit den Stadtwerken München als Vertragspartner für Installation und Betrieb im Hinblick auf die grundsätzliche Realisierungsmöglichkeit einer Installation der Ladestation zumutbar werden.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung.

Entscheidung

Die Berufung hat Erfolg.

Nach § 554 Abs. 1 BGB habe der Mieter grundsätzlich einen Anspruch dahingehend, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen.

Wer für die Ausführung jedoch insbesondere das Unternehmen bzw. die Handwerker auswählen darf, regle § 554 Abs. 1 BGB nicht ausdrücklich. Der vorwiegend dem Interesse des Mieters dienenden Regelung sei zu entnehmen, dass der Mieter grundsätzlich selbst diese Veränderungen – jedenfalls mittels eines geeigneten Fachunternehmens – durchführen dürfe, was beinhalte, dass er befugt sei, dieses auszuwählen und auch die konkrete Ausgestaltung des Anschlusses zu bestimmen.

Dieser Anspruch bestehe nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nur dann nicht, „wenn die bauliche Veränderung dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden kann“. Der Einbau des konkreten Elektroanschlusses seitens des Mieters müsse somit dem Vermieter – als Ausnahme von der Regel – unzumutbar sein. Nur sofern das der Fall sei, habe das Interesse des Mieters zurückzustehen, welches sonst Vorrang habe.

Nach erfolgter Beweisaufnahme sei festzustellen, dass die derzeitige Kapazität für jedenfalls fünf bis zehn Ladestationen ausreiche. Da derzeit nur drei Ladestationen vorhanden seien, sei die vom Kläger begehrte Station aus technischer Sicht machbar.

Die Einrichtung dieser einen weiteren Station für die Klagepartei könne für die Beklagte auch nicht als unzumutbar angesehen werden.

Dass möglicherweise noch andere Mieter künftig einen solchen Anschluss für sich beanspruchen und die hierfür notwendige technische Ausstattung dann ggf. nur seitens der Stadtwerke München installiert werden kann, ändere nichts daran, dass jedenfalls derzeit die begehrte Station für die Klagepartei ohne Weiteres eingerichtet werden könne. Aufgrund einer unbestimmten künftigen Entwicklung, deren Eintritt überhaupt noch nicht sicher sei, könne der gegenwärtige Anspruch der Klagepartei nicht eingeschränkt werden.

Der Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Mieter stelle sich derzeit nicht, wobei es im Wohnraummietrecht keinen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gebe. Der Vermieter habe lediglich über § 242 BGB das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG sowie das Schikaneverbot iSv § 226 BGB zu beachten. Es sei nicht als willkürlich anzusehen, wenn der Vermieter nach dem Prioritätsprinzip vorgehe und nachfolgenden Mietern ein Elektroanschluss möglicherweise nur gewährt werden könne, wenn dieser durch die Stadtwerke München eingerichtet werde.

Durch die Einrichtung der Ladestation durch die X-GmbH erleide die Beklagte auch keinen Nachteil, während dies für die Kl. wirtschaftlich von Vorteil sei.

Schließlich werde weder vorgetragen noch sei ersichtlich, dass das seitens der Klagepartei ausgewählte Unternehmen für die Durchführung der Installationen fachlich ungeeignet wäre, zumal dieses auch die bestehenden Elektroinstallationen im Gebäude ausgeführt habe.

Praxishinweis

Dem Urteil ist zuzustimmen.

§ 554 Abs. 1 BGB räumt dem Mieter auf eigene Kosten gegen den Vermieter einen Erlaubnis- und Duldungsanspruch im Hinblick auf bauliche Veränderungen ein, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Hierbei darf der Mieter grundsätzlich selbst entscheiden, wer die fachgerechte Installation vornehmen darf, soweit dies für den Vermieter zumutbar ist, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die Errichtung von einer Fachfirma durchgeführt werden soll (vgl. OLG Frankfurt, Rechtsentscheid vom 22.07.1992 - 20 REMiet 1/91, NJW 1992, 2490 zu Parabolantennen).

Im Rahmen der Interessenabwägung ist zugunsten des Vermieters seine berechtigte Befürchtung zu berücksichtigen, dass Dritte – etwa andere Mieter – gegen den Vermieter wegen der baulichen Veränderung Rechte geltend machen könnten – etwa in Form einer Mietminderung, weil durch die bauliche Veränderung in das Gebrauchsrecht der übrigen Mieter eingegriffen wird (BT-Drs. 19/18791, 88, Abs. 6). Dies ist aber vorliegend nicht der Fall, da durch die begehrte Beauftragung der Firma, die für den Kläger die günstigeren Konditionen anbietet, ein etwaiger künftiger Anspruch anderer Mieter auf Installation einer Ladestation nicht ausgeschlossen wird. Sobald die Grenze erreicht wird, bei der Mieter nicht mehr die günstigere Firma beauftragen können, können Mieter auf die einzig verbliebene Möglichkeit (Stadtwerke) verwiesen werden (vgl. Rathjen, MDR 1980, 713, 716), auch wenn dies teurer ist. Denn der Vermieter hat bei zeitlich nachfolgenden Anträgen das Prioritätsprinzip zu beachten (Eisenschmid in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 15. Auflage 2021, § 535 BGB Rn 105).


LG München I, Urteil vom 23.06.2022 - 31 S 12015/21 (AG München), BeckRS 2022, 14161