Anmerkung von
JR Dr. Wolfgang Litzenburger, Notar in Mainz
Aus beck-fachdienst Erbrecht 11/2022 vom 25.11.2022
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Sachverhalt
Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist der Schwiegersohn des Beigeladenen. Mit einem einzigen notariell beurkundeten Vertrag vom 26.05.2017 verschenkte der Beigeladene ein Grundstück. Er übertrug das Grundstück auf seine Tochter - die Ehefrau des Klägers -, diese in demselben Vertrag den hälftigen Miteigentumsanteil auf den Kläger, so dass im Ergebnis der Kläger sowie seine Ehefrau Eigentümer zu je ein Halb wurden. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, es habe sich hinsichtlich dessen Anteils um eine Schenkung des Beigeladenen an den Kläger gehandelt, und berechnete die Steuer hinsichtlich Steuerklasse und Freibetrag diesem Verwandtschaftsverhältnis entsprechend.
Mit der Klage machte der Kläger geltend, Schenkerin seines Anteils sei seine Ehefrau gewesen. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht das Finanzamt zum einen die grundsätzliche Bedeutung sowie das Bedürfnis nach Rechtsfortbildung hinsichtlich der Frage geltend, ob in Fällen der Zusammenfassung von Schenkung und sich anschließender Weiterschenkung eines Grundstücks in einer Urkunde eindeutige Umstände zum Vorliegen einer Entscheidungsbefugnis des zuerst Bedachten über einen weiterzugebenden Gegenstand gegeben sind, sofern es der Auslegung eines mehrdeutigen Vertrags mit einander widersprechenden Textpassagen und einer Zeugenbefragung der Beteiligten bedarf. Zum anderen beruft es sich auf Divergenz zu BFH NJW 2014, 174. Darin habe der BFH die Zivilrechtslage für die Bestimmung von Zuwendendem und Bedachtem für maßgebend erklärt. Ferner habe er bei Zusammenfassung von Schenkung und Weiterschenkung in einer Urkunde für den Regelfall die Entscheidungsfreiheit des zuerst Bedachten verneint, es sei denn, der Vertrag oder die Umstände zeigten „eindeutig“ das Gegenteil.
Entscheidung: Die Beschwerde ist unbegründet, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch zur Fortbildung des Rechts erforderlich ist.
Die durch das Finanzamt aufgeworfene Frage ist in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
Es ist in der Rechtsprechung des BFH geklärt, dass in Fällen, in denen ein Vermögensgegenstand einer Person im Wege der Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG übertragen wird und diese den Vermögensgegenstand freigebig einem Dritten zuwendet, für die Bestimmung des jeweiligen Zuwendenden und des jeweiligen Bereicherten darauf abzustellen ist, ob die weitergebende Person eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Verwendung des geschenkten Gegenstands hat. Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Ob ein Bedachter über einen zugewendeten Gegenstand frei verfügen kann oder diesen einem Dritten zuwenden muss, ist nach der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien zu entscheiden. Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben. Es reicht nicht aus, dass der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand weiterschenkt. Entscheidend ist das Fehlen einer Dispositionsmöglichkeit des zuerst Bedachten (BFH NJW 2014, 174; BeckRS 2020, 38679). Werden Schenkung und Weiterschenkung in einer Urkunde zusammengefasst, erlangt der zuerst Bedachte regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit, es sei denn, aus dem Vertrag oder den Umständen ergäbe sich eindeutig etwas anderes.
Was sich aus dem Vertrag oder den Umständen ergibt, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Wie Indizien gegeneinander abzuwägen sind und welches Gewicht einzelnen Indizien zukommt, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Nichts anderes folgt aus dem Erfordernis „eindeutiger“ Feststellungen zur Entscheidungsfreiheit. Soweit darin ein Maßstab für das Regel-Ausnahme-Verhältnis für Schlussfolgerungen liegt, müssen gleichwohl der Vertrag und die Umstände festgestellt und im Hinblick darauf gewürdigt werden, ob die Schwelle der Eindeutigkeit erreicht ist.
Auch die Voraussetzungen für eine Divergenzrüge sind nicht erfüllt.
Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz setzt voraus, dass das Finanzgericht bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH, der Gerichtshof der Europäischen Union, das Bundesverfassungsgericht, der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, ein anderes oberstes Bundesgericht oder ein anderes Gericht; das FG muss seiner Entscheidung einen tragenden abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. BFH BeckRS 2022, 6705). Eine (angeblich) fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowie schlichte Subsumtionsfehler des FG reichen jedoch nicht aus.
Eine Abweichung von den Grundsätzen, die der BFH für die Maßgeblichkeit der Zivilrechtslage aufgestellt hat, liegt nicht vor.
Zunächst ist nach der Rechtsprechung des BFH für die Frage, wer Zuwendender sein kann, zwar grundsätzlich an das Zivilrecht anzuknüpfen. Das bedeutet aber nicht, dass ausschließlich die Eigentumslage maßgebend wäre. Anders kann es sich insbesondere in Fällen der Kettenschenkung verhalten (vgl. BFH BeckRS 2020, 38679 m.w.N.). Die Rechtsprechung zur Weitergabeverpflichtung knüpft nicht an die Frage an, ob der zuerst Bedachte zwischenzeitlich Eigentümer des geschenkten Gegenstands wird (vgl. BFH NJW 2014, 174 m.w.N.).
Im Rahmen seiner abstrakten Rechtsausführungen ist das FG von zutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Ebenso wenig ist das FG von der Maßgabe des BFH abgewichen, die Dispositionsbefugnis müsse sich „eindeutig“ aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben. Es trifft nicht zu, dass sich das FG mit bloßen Anhaltspunkten begnügt hätte.
Auf der ersten Ebene (Verhältnis Zuwendender/erster Empfänger) ist zu prüfen, ob bereits zivilrechtlich von einer unmittelbaren Schenkung des Beigeladenen an den Kläger auszugehen sein könnte. Wäre dies der Fall, stellte sich die Frage nach der Dispositionsbefugnis eines zuerst Bedachten nicht mehr, da es keinen zuerst Bedachten gäbe. Erst wenn zivilrechtlich zwei hintereinandergeschaltete Schenkungen bestehen, ist auf der zweiten Ebene (Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger bzw. Dritter) die Dispositionsbefugnis des zuerst Bedachten zu prüfen.
Soweit das FG zunächst eine Auslegungsmöglichkeit erörtert hat, die für eine Direktschenkung des Beigeladenen an den Kläger sprechen könnte, um nach Abwägung anderen Gesichtspunkten den Vorrang einzuräumen und im Ergebnis eine Kettenschenkung anzunehmen, betrifft das die erste Ebene. Es kann dahinstehen, ob in diesen Überlegungen die Einschätzung enthalten ist, dieses Ergebnis sei nicht eindeutig - aber letztlich zu bevorzugen -, denn der Maßstab „eindeutig“ bezieht sich nur auf die Dispositionsbefugnis und damit auf die zweite Ebene. Die Vertragsauslegung ist nach den üblichen Maßstäben vorzunehmen.
Auf der zweiten Ebene hat das FG hingegen - wie erforderlich - die Dispositionsbefugnis der Ehefrau des Klägers eindeutig bejaht. Es hat zwar formuliert, der Vertragswortlaut lasse eine Auslegung dahin zu, dass sie eine eigene Dispositionsbefugnis gehabt habe. Nach dem Kontext meint das FG an dieser Stelle jedoch gerade nicht die zweite, sondern die erste Ebene, denn es handelt sich um eine von mehreren Begründungen für die Annahme einer Kettenschenkung. Im weiteren Verlauf wird deutlich, dass aus Sicht des FG an der Dispositionsbefugnis keine Zweifel bestanden. Nachdem es keine Hinweise darauf gesehen hat, dass die der Ehefrau zivilrechtlich grundsätzlich zukommenden Befugnisse eingeschränkt wurden, hat es keinen Anlass zu weiteren Erörterungen gesehen, mithin die Lage für eindeutig gehalten.
Praxishinweis
Diese höchstrichterliche Entscheidung ist eine gute Zusammenfassung der Rechtsprechung zur Frage, ob im Falle der Zusammenfassung von mehreren Schenkungen in einer Urkunde das Verhältnis des Enderwerbers zum Erstschenker oder zum Zweitschenker (Erstbeschenkter) der Besteuerung zugrunde zu legen ist.
Es muss jedoch die Frage erlaubt sein, warum überhaupt eine solche Kettenschenkung in einer einzigen Urkunde beurkundet worden ist. Eine nennenswerte kostenmäßige Ersparnis ist damit jedenfalls nicht verbunden, weil der Notar beide Schenkungen bei der Ermittlung des Geschäftswerts für das Beurkundungsverfahren addieren muss. Selbst bei getrennten Urkunden wäre eine unmittelbare Umschreibung vom Erstschenker auf den Enderwerber im Grundbuch im Wege der Kettenauflassung möglich gewesen.
Sollte der wahre Grund der Zusammenbeurkundung jedoch darin bestanden haben, dass der Erstschenker gewährleisten wollte, dass der Zweitschenker (Erstbeschenkter) den Zuwendungsgegenstand auch wirklich weiterüberträgt, so wäre dies nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Rechtfertigung genug, der Besteuerung das Verhältnis des Erstschenkers zum Enderwerber zugrundezulegen. Dann hätte das Finanzamt Recht gehabt.
Damit ist festzuhalten, dass die Zusammenfassung der beiden Schenkungsvorgänge in einer Urkunde den Beteiligten keinerlei (nennenswerte) Vorteile eingebracht hat, wohl aber diesen Streit mit dem Finanzamt über die zu zahlende Schenkungssteuer.
Ob es gereicht hätte, in der Urkunde den Satz aufzunehmen, dass der Zweitschenker (Erstbeschenkter) die Weiterschenkung „nach freiem Willen und ohne Einschränkung seiner Dispositionsfreiheit“ vornimmt, erscheint nach dieser Entscheidung mindestens zweifelhaft, weil der BFH schließlich auch die Fälle, dass die Kettenschenkung in zwei Urkunden unmittelbar nacheinander vereinbart werden, mit den Fällen der Kettenschenkung in einer Urkunde gleichbehandelt wissen will.
Es spricht daher alles dafür, solche Kettenschenkungen immer in zwei getrennten Urkunden zu vereinbaren, und zwar sicherheitshalber nicht unmittelbar nacheinander am gleichen Tage, sondern mit einem Zwischenraum von mehreren Tagen dazwischen. Auf der ganz sicheren Seite steht dabei nur, wer die zweite Schenkung erst nach der Eigentumsumschreibung der ersten Schenkung beurkundet.
BFH, Beschluss vom 28.07.2022 - II B 37/21, BeckRS 2022, 21037