Kolumne
Dislike für den Anwalt
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Das Recht ist eine komplexe Angelegenheit. Deshalb fällt es Mandanten auch manchmal schwer, nicht nur das Tun, sondern vor allem das Unterlassen ihres Anwalts richtig einzuordnen. Denn was dem juristischen Laien als schlichte Untätigkeit erscheint, erkennt der Profi auf den ersten Blick als ausgeklügelte Taktik eines gewieften Prozesshasen.

7. Mai 2020

Schön, wenn diese Taktik von Erfolg in Gestalt eines - je nach Parteistellung - obsiegenden oder klageabweisenden Urteils gekrönt wird. Denn dann muss man dem Mandanten nichts mehr erklären, vor allem nicht die Honorarnote. Die bezahlt ja dann die Gegenseite, die leider, leider an einen Kollegen ohne jede taktische Finesse geraten ist. In allen anderen Fällen könnte es Schwierigkeiten geben. Denn enttäuschte Mandanten sind unberechenbar und lassen sich in ihrem Zorn über ihren Rechtsbeistand gern zu einer deftigen Online-Bewertung hinreißen. Die ist dann erst mal in der Welt, die dann nachlesen kann, dass man besser auf Lehramt studiert oder in Brüssel angeheuert hätte. Der Anwaltschaft zum Trost: Auch wenn ein Mandat total vergeigt wurde, was jetzt zugegebenermaßen nie oder quasi nie vorkommt, muss sich ein Anwalt nicht jede Manöverkritik gefallen lassen. Das meint zumindest das AG Bremen (Urt. v. 24.4.2020 - 9 C 410/19).

In dem Fall ging es um einen Kollegen, der auf seiner Kanzlei-Homepage seine Mandanten einlud, ihn und seine Beratungsleistung zu bewerten. Der spätere Beklagte machte davon ausgiebig Gebrauch, nachdem sich abzeichnete, dass sein Fall zwar schon, wie vom Anwalt beteuert, ein Selbstgänger war. Allerdings kam der irgendwann derart vom Weg ab, dass es ein böses Ende nahm. Der Anwalt habe damit nicht nur den Fall in den Sand gesetzt, sondern nach Ansicht seines Mandanten außerdem noch den Glauben an das Rechtssystem zerstört. Dass man so den Beruf des Anwalts ausüben dürfe, traurig, traurig, traurig, um es mit den Worten von Theo Lingen alias Schuldirex Liebreich zu sagen. Wie der so Gescholtene seinen Job tatsächlich gemacht hat, blieb zwar dunkel. Allerdings ließ der in seinem Glauben an unser Rechtssystem maßlos Erschütterte uns noch Folgendes wissen: "Meiner Meinung nach sollte ein Anwalt in Deutschland zumindest die Deutsche Sprache in Wort und Schrift beherrschen und sich an das Deutsche Gesetz halten." Der Anwalt erstattete daraufhin Strafanzeige, forderte den Spezialisten für die Deutsche Sprache zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und rundete sein Maßnahmenpaket mit einer ansehnlichen Kostennote ab. Das AG Bremen bescheinigte ihm daraufhin, dass er sich derartige Bewertungen nicht bieten lassen müsse, zeigte sich aber beim begehrten Aufwendungsersatz gleichwohl knauserig. Denn nach dem Willen des Gesetzgebers könne ein in eigener Sache tätiger Anwalt Kostenerstattung nur für das gerichtliche Verfahren fordern. Für die Bemühungen des Klägers, seinem Mandanten die Unterlassungserklärung abzuringen, gab es also nichts. Deshalb liebe Anwälte, lasst das mit dem Tätigwerden in eigener Sache. Mandatiert lieber gleich einen Kollegen Eures Vertrauens. Der Gesetzgeber will es nicht anders.

Dr. Monika Spiekermann, NJW-Redaktion.