Aufenthaltschancen. Eine große Rolle hat in der Endphase des Bundestags-Wahlkampfs das Thema Migration gespielt. Mit einer Neuregelung, die die damalige rot-grün-gelbe Koalition am Jahresende 2022 beschlossen hat, befasst sich am 27.2. das BVerwG – dem sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht. Die Idee dahinter: Langjährig geduldete Ausländer sollten mehr Chancen zum Erhalt eines Bleiberechts erhalten. Die Klägerin (Jahrgang 2007) war kurz nach ihrer Geburt mit ihren Eltern nach Deutschland gekommen; diese stellten unter falschen Namen Asylanträge und gaben vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an, sie seien irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Die Behörde lehnte ab, denn Sprachanalyse-Gutachten der Anhörungen zufolge sprächen sie einen Dialekt des Nordkurmanci aus dem Bereich der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Nach einer Vorführung vor einer Kommission des armenischen Außenministeriums teilte dieses mit, dass es sich zweifellos um eigene Staatsangehörige handele. Bei einer Durchsuchung der Familienwohnung fand die Polizei schließlich ukrainische Pässe von Vater und Mutter unter Falschnamen, in denen Geburtsorte in jenem Kaukasus-Land eingetragen waren.
Die Klage der jungen Frau unter anderem auf „Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und jungen Volljährigen“ (§ 25a AufenthG) wurde vom VG Magdeburg abgelehnt. Das OVG verpflichtete die sachsen-anhaltinische Landeshauptstadt hingegen, ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach besagtem Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c I AufenthG) zu erteilen. Diese Rechtsgrundlage sei auch auf Minderjährige anwendbar. Dem Anspruch stehe auch nicht entgegen, dass kein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorliege. Diese in jener Vorschrift geregelte Voraussetzung müsse die damals 15-Jährige nämlich nicht erfüllen, weil sie im Anschluss eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG anstrebe, die das – anders als § 25b AufenthG („Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration“) – nicht voraussetze.
Europarecht. Am EuGH tut sich in dieser Berichterstattungswoche viel Beachtenswertes. Am 27.2. wird ein Urteil zu einer Vorlage des BGH verkündet: Die niederländische Versandapotheke DocMorris verlangt vor deutschen Gerichten von der Apothekerkammer Nordrhein Schadensersatz in Höhe von 18 Mio. EUR; die hatte wegen Rabattaktionen für verschreibungspflichtige Arzneimittel einstweilige Verfügungen und hohe Ordnungsgelder erwirkt. Generalanwalt Maciej Szpunar befand dazu, hier habe keine „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne der „Richtlinie zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel“ vorgelegen. Am 25.2. ergehen in Luxemburg Entscheidungen über die fehlende Kompatibilität der Google-App „Android Auto“ als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung sowie über gekürzte Bezüge von Richtern in Polen und Litauen. Über einen Auskunftsanspruch bei automationsunterstützter Bonitätsbeurteilung durch einen österreichischen Mobilfunkbetreiber und die Deckelung von Maklergebühren in Slowenien fällt am 27.2. das letzte Wort.
Dieser Inhalt ist zuerst in der NJW erschienen. Sie möchten die NJW kostenlos testen? Jetzt vier Wochen gratis testen inkl. Online-Modul NJWDirekt.