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Wie sehr darf ein Arbeitgeber Mitarbeiter unter Druck setzen, damit sie einen Aufhebungsvertrag unterschreiben? Das will das Bundesarbeitsgericht anhand einer Rechtskonstruktion klären, die es selbst erst vor Kurzem erfunden hat. Auch geht es dort darum, welche Wünsche Auftraggeber auf einer Plattform für die Auswahl eines Assistenten für Schwerbehinderte äußern dürfen, ohne zu diskriminieren. Und am Bundesgerichtshof tummeln sich Urheber, die sich von YouTube und einer anderen Sharing-Plattform übervorteilt sehen.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 17. Feb 2022.

Aufhebungsvertrag. Vor drei Jahren erfand das BAG eine neue Rechtsfigur, die auch Zivilrechtler aufhorchen ließ: das „Gebot fairen Verhandelns“ (NJW 2019, 1966 mAnm Bachmann). Nun geht es in Erfurt erneut um diese dogmatische Kreation. Eine frühere Team­koordinatorin für Verkauf will dort am 24.2. den von ihr unterschriebenen Aufhebungsvertrag annullieren lassen – den habe sie nur abgeschlossen, weil der Arbeitgeber ihr mit fristloser Kündigung und Strafanzeige gedroht habe. Sie focht ihn damals auch alsbald an, wo­­rauf eine Kündigung folgte. Der Vorwurf gegen sie: Beim Verkauf von Heizkörpern und einer Abwasserpumpe habe sie unter Manipulation der Zahlen im Warenwirtschaftssystem Gewinne produziert, die es gar nicht gebe. Oder sogar Verluste, falls der Verkaufspreis niedriger als der richtige Einstandspreis gewesen sei. Ihr Ehemann unterzeichnete wegen ähnlicher Anschuldigungen ebenfalls eine Trennungsvereinbarung.

Nach der Darstellung der Frau ging es bei ihrer Unterschriftsleistung ziemlich robust zu. Demnach war sie ohne Angabe von Gründen ins Büro des Geschäftsführers zitiert worden. Dort sei ihr sogleich mitgeteilt worden, sie könne zwischen zwei Optionen wählen – einer fristlosen Kündigung und der Unterzeichnung eines bereits vorbereiteten Aufhebungsvertrags. Der Rechtsanwalt der Firma habe erklärt, falls die Mitarbeiterin durch die Tür gehe, komme eine einvernehmliche Trennung nicht mehr in Betracht, selbst wenn sie nur die Toilette aufsuchen wolle. Wörtlich äußerte er nach ihren Angaben, dass „die Akte dann in der X-straße in Y landet“. Auf ihre mangels Ortskenntnis gestellte Frage, was es damit auf sich habe, habe man ihr gesagt, dort befinde sich die Polizeiwache und das Unternehmen werde zudem die Staatsanwaltschaft einschalten. Das ArbG Paderborn gab ihr recht, denn sie sei durch Drohungen zur Abgabe ihrer Willenserklärung genötigt worden (§ 123 I Alt. 2 BGB). Überdies sei das „Gebot des fairen Verhandelns“ verletzt worden. Das LAG Hamm sah beides anders. So sei die Drohung nicht widerrechtlich gewesen. Und die übrigen Verhandlungsbedingungen hätten bei der Klägerin keine „Fluchtin­­stinkte“ geweckt: „Unsachliche, aggressive oder beleidigende Äußerungen“ seien nicht gefallen, und sie sei auch körperlich in guter Verfassung gewesen.

Altersfrage. Wegen ihres Alters diskriminiert sieht sich eine Frau (Jahrgang 1968) von einem Assistenzdienst, der behinderte Menschen unterstützt. Diese können bei ihm Stellenanzeigen platzieren und dabei Wünsche etwa zu Geschlecht oder Alter des Helfers angeben. Wenn eine Vermittlung erfolgreich ist, schließt der Kunde mit dem Unternehmen einen Dienstleistungsvertrag und die Assistenzperson mit diesem einen ­Arbeitsvertrag. Eine schwerbehinderte Studentin (28 Jahre alt) suchte dort eine persönliche Assistentin für alle Lebensbereichen des Alltags, die am besten zwischen 18 und 30 Jahre alt sein solle. Die Klägerin bewarb sich per E-Mail, erhielt aber von der Firma eine Absage: Sie habe sich aufgrund der hohen Anzahl von Bewerbern für jemand anderen entschieden. Worauf die erfolglose Bewerberin Entschädigungsansprüche geltend machte. Das ArbG Köln, wo weitere Klagen von ihr anhängig sind, sprach ihr denn auch knapp 1.800 Euro zu. Das LAG hingegen hielt die mutmaßlich vorliegende Benachteiligung wegen der beruflichen Anforderungen der Tätigkeit (§ 8 I AGG) und wegen ­eines legitimen Ziels (§ 10 AGG) für gerechtfertigt: „Die Realisierung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderung liegt im Allgemein­interesse.“ Das BAG will dies am 24.2. prüfen.

Up- und Download. So voll ist es selten am BGH: Am 24.2. tummeln sich dort die Parteienvertreter aus sieben Verfahren gegen die Internetplattform YouTube sowie den Sharehosting-Dienst „uploaded.net“ in einem Saal. Ein Musikproduzent, Verlage, Musik- und Filmunternehmen sowie die Verwertungsgesellschaft GEMA wollen sich wegen Urheberrechtsverletzungen durch Internetnutzer schadlos halten. Nachdem der Karls­ruher Senat hierzu eine Einschätzung des EuGH eingeholt hat, verhandelt er nun mündlich.