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Die Termine der 51. Kalenderwoche
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Passend zu den Weihnachtsferien klärt das Bundesarbeitsgericht ein paar Fälle zum Urlaubsrecht. Es geht darum, wann der Anspruch auf die freien Tage verfällt. Eingebrockt haben sich die Erfurter Richter die neuen Verhandlungen selbst – sie hatten den Europäischen Gerichtshof um Handreichungen dazu gebeten. Und das Bundesverfassungsgericht untersucht das "Data Mining" durch die Polizei.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 15. Dez 2022.

Unverjährbar I. Das BAG macht seinem Namen alle Ehre und hat sich sogar noch die Weihnachtswoche mit Verhandlungsterminen vollgepackt. Vielleicht ein kleiner Stimmungsaufheller dabei: In drei etwas unterschiedlich gelagerten Verfahren geht es am 20.12. um Erholung und Müßiggang. Hintergrund ist, dass der EuGH das deutsche Urlaubsrecht auf Vorlagen der Erfurter Richter hin ziemlich umgekrempelt hat. Ein Fall betrifft eine ehemalige Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin, die pro Kalenderjahr einen Anspruch auf 24 arbeitsfreie Kalendertage hatte. Vor etwas über zehn Jahren bescheinigte ihr der ehemalige ­Arbeitgeber, ihr „Resturlaubsanspruch von 76 Tagen aus dem Kalenderjahr 2011 sowie den Vorjahren“ werde Ende März 2012 nicht verfallen, weil sie die Auszeit wegen des hohen Arbeitsaufwands in seinem Büro nicht habe nehmen können. In der Folgezeit bis zu ihrem Ausscheiden im Jahr 2017 gewährte der Steuerberater ihr an insgesamt 95 Arbeitstagen Urlaub; den gesetzlichen Mindesturlaub nahm sie nicht vollständig in Anspruch. Anschließend forderte sie die Abgeltung von 101 freien Tagen – vergebens.
Ein Knackpunkt dabei: Der Kanzleiinhaber hatte die Angestellte weder aufgefordert, weiteren Urlaub zu nehmen, noch sie darauf hingewiesen, dass der Anspruch anderenfalls verfallen könne. Die Europarichter befanden nun: Wenn ein Arbeitgeber seine Arbeit­nehmer nicht tatsächlich in die Lage versetzt hat, diesen wahrzunehmen, dürfe er nicht nach drei Jahren verjähren (NJW 2022, 3207). Damit scheinen die ­Weichen für das letzte Wort der obersten deutschen Arbeitsrichter gestellt.

Unverjährbar II und III. Auch zum Verfall des Urlaubsanspruchs bei langer Arbeitsunfähigkeit haben die ­Luxemburger Richter dem BAG die erbetene Marschrichtung gewiesen. Eine Klägerin ist eine ehemalige Klinik-Mitarbeiterin, die seit 2017 durchgängig krankgeschrieben ist. Sie findet, dass ihr für jenes Jahr noch 14 Tage Urlaub zustehen, da sie nicht rechtzeitig auf den drohenden Verfall hingewiesen worden sei. Auch hier erklärten die Europarichter eine Verjährung für ­unzulässig: Wenn ein Beschäftigter seinen Anspruch in einem Zeitraum erworben habe, in dessen Verlauf er tatsächlich gearbeitet hat, bevor er voll erwerbs­gemindert oder (weiterhin) arbeitsunfähig geworden ist, müsse der Arbeitgeber ihn rechtzeitig in die Lage versetzen, ihn tatsächlich auszuüben. Und auch um den Urlaub eines schwerbehinderten Kraftfahrers des Frankfurter Flughafens geht es an dem Tag in Erfurt, über den der EuGH mit demselben Tenor gleich mitentschieden hat (NJW 2022, 3203).

„Data Mining“. Das BVerfG stellt am 20.12. zwei Vorschriften der Polizeigesetze von Hessen und Hamburg auf den Prüfstand. Beide Regelungen ermächtigen die Ermittler zur automatisierten Auswertung von Daten. „Im Rahmen der Weiterverarbeitung (…) können insbesondere Beziehungen oder Zusammenhänge zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, Orga­nisationen, Objekten und Sachen hergestellt, unbedeutende Informationen und Erkenntnisse ausgeschlossen, die eingehenden Erkenntnisse zu bekannten Sachverhalten zugeordnet sowie gespeicherte Daten statistisch ausgewertet werden“, heißt es etwa in § 25a HSOG, der gewichtige Straftaten voraussetzt. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die zu den Klägern gehört, kontert: „Solche Big-Data-Lösungen gehören rechtsstaatlich deutlich besser eingehegt und kontrolliert als durch die völlig unbestimmte gegenwärtige Regelung.“ Vor zwei Monaten hat sie zudem Beschwerde gegen eine Regelung des Polizeigesetzes von Nordrhein-Westfalen eingelegt, die ebenfalls die automatisierte Auswertung von Datenbeständen erlaubt. Die GFF betrachtet dieses „Data Mining“ überdies als Baustein von „Predictive Policing“, also der Vorhersage künftiger Straftaten durch Technik, der in den USA und Großbritannien eine rassistische Wirkung nachgesagt wird. Hinter diesem Vorstoß stehen nach Angaben der Vereinigung unter anderem Klimaschützer mit der Sorge, durch die Teilnahme an Protestaktionen ins Visier der Polizei von NRW zu geraten.

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