Unternehmensjuristen. Schon im September hatte das BSG fünf Verfahren rund um das Thema Syndikusrechtsanwälte terminiert (NJW-aktuell H. 38/2024, 6), nur zwei davon wurden dann aber verhandelt. Zur Erinnerung: Im Jahr 2014 hatten die Bundesrichter mit einem Paukenschlag die Szene der Unternehmensjuristen aufgescheucht. Angestellte Rechtskundige bei nicht-anwaltlichen Arbeitgebern konnten sich seither schwerer der gesetzlichen Rentenversicherung entziehen. Nun arbeitet sich das Kasseler Gericht am 12.12. zum zweiten Mal innerhalb von einem Vierteljahr an Auslegungsfragen ab, die das „Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte“ mit den §§ 46 ff. BRAO aufgeworfen hat. Mit dem hatte die Politik zügig auf den Schreck von vor zehn Jahren reagiert.
Eine der fünf Rechtsstreitigkeiten dreht sich ganz grundsätzlich darum, ob Rentenversicherungsträger und Sozialgerichte an die Zulassung als Syndikusrechtsanwalt durch die Rechtsanwaltskammer gebunden sind; dieser Prozess war ursprünglich schon für den Herbst geplant. Geklagt hat eine langjährige Anwältin mit wechselhafter Berufs- und Versicherungssituation. Als sie im Lauf ihrer Karriere bei der RAK Frankfurt a. M. eine Anerkennung als Syndikusanwältin beantragte, erhielt sie eine Abfuhr. Das LSG Hessen befand: „Die Zulassung ist konstitutiv für die Befreiung und kann nicht im Rahmen des sozialrechtlichen Verfahrens durch die Rentenversicherung oder das Gericht ersetzt werden.“ In den anderen vier Revisionen will der 12. Senat klären: War für die Rückwirkung einer Befreiung von der Versicherungspflicht auch dann ein Antrag erforderlich, wenn wegen derselben Tätigkeit bereits vor der Neuordnung des Syndikusanwaltsrechts ein Verfahren begonnen worden und zum Stichtag immer noch anhängig war? Dies war nach § 231 IVb 6 SGB VI der 1.4.2016. In zweien dieser Prozesse wollen die Richter zudem entscheiden, ob ein Antrag fristwahrend noch beim SG gestellt werden konnte.
Stille Lektüre. Die Sonntags- und Feiertagsruhe ist nicht zuletzt den Gewerkschaften, Kirchen und den Landesgesetzgebern heilig. Doch gibt es Ausnahmen – etwa für Geschäfte in Bahnhöfen, Apotheken und Tankstellen. Jüngst musste das BVerwG abzirkeln, wieweit die Erlaubnis für Blumenläden und Gartenzentren auch Weihnachtsartikel umfasst (NJW-aktuell H. 45/2024, 6). Am 11.12. dreht es sich in Leipzig nun um Bibliotheken. Dass Nutzer dort auch an diesen geschützten Tagen Bücher oder Tonträger zumindest lesen oder anhören (wenngleich nicht ausleihen) dürfen, hat Nordrhein-Westfalen im Zuge einer Gesetzesänderung per Rechtsverordnung erlaubt. Das geht der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gegen den Strich. Nicht aber dem OVG Münster, das deren Normenkontrollantrag abschmetterte. „Angesichts der gewandelten kulturellen Funktionen öffentlicher Bibliotheken als niederschwellig zugängliche, nichtkommerzielle Orte der Kultur“ bestehe ein „Bedürfnis für die Nutzung derartiger Bibliotheksräume an Ort und Stelle“.
Politaktivisten. Nachdem der BFH der globalisierungskritischen Organisation „Attac“ die Gemeinnützigkeit aberkannt hatte, landet dort immer wieder ein solcher Zankapfel (zuletzt NJW-aktuell H. 36/2024, 6). Lockerungen, die die Ampelkoalition deshalb vor ihrem Bruch mit dem Steuerfortentwicklungsgesetz in § 58 Nr. 11 AO schaffen wollte, sind – jedenfalls bisher – nicht über die erste Lesung im Bundestag hinausgekommen. Am 12.12. muss sich der Gerichtshof mit einer Petitionsplattform im Internet befassen. Sie ermöglicht es ihren Nutzern, „Petitionen“ zu erstellen und zu unterzeichnen, um soziale Anliegen zu fördern. Das Finanzamt verweigerte ihr eine Steuerbefreiung nach § 5 I Nr. 9 KStG iVm § 52 II 1 Nr. 24 AO: Eine allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens durch eine solche Plattform sei auf Petitionen nach Art. 17 GG beschränkt und umfasse keine anderweitigen Kampagnen. Das war dem FG Berlin-Brandenburg zu eng: Zum demokratischen Staatswesen gehöre insbesondere die Förderung der Ausübung grundgesetzlich verbürgter Grundrechte.
Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.