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Die Ter­mi­ne der 50. Ka­len­der­wo­che
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Der deut­sche Da­ten­schutz hat am EuGH der­zeit Hoch­kon­junk­tur: Nach Schu­fa AG und Deut­sche Woh­nen SE geht es nun um die Ver­öf­fent­li­chung von Namen auf der Web­sei­te einer 4.500-See­len-Kom­mu­ne. Das BAG klärt den Wert einer Krank­schrei­bung in zeit­li­chem Zu­sam­men­hang mit einer Ent­las­sung. Und das BSG prüft die Höhe des Ar­beits­lo­sen­gelds II für eine An­wäl­tin – um­strit­ten ist die An­rech­nung von Job­ti­cket und Bei­trä­gen fürs Ver­sor­gungs­werk.

7. Dez 2023

Ba­ga­tell­gren­ze. Die rund 4.500-See­len-Kom­mu­ne Um­men­dorf in Baden-Würt­tem­berg könn­te dazu bei­tra­gen, dass der EuGH in einer um­kämpf­ten Frage mehr Klar­heit schafft: Wann haben Be­trof­fe­ne bei einem Da­ten­schutz­ver­stoß An­spruch auf im­ma­te­ri­el­len Scha­dens­er­satz? In einem Fall aus Ös­ter­reich hat­ten sich die ­Europarichter halb­wegs sa­lo­mo­nisch ge­zeigt: Eine Ver­let­zung der DS-GVO durch die Samm­lung von Daten über po­li­ti­sche Af­fi­ni­tä­ten der Be­völ­ke­rung durch die Post müsse nicht au­to­ma­tisch zu einer Geld­zah­lung füh­ren – eine „Er­heb­lich­keits­schwel­le“ gebe es aber auch nicht. Womit sie den Ball an die Mit­glied­staa­ten zu­rück­spiel­ten. Eine Weg­wei­sung für den Um­gang mit dem deut­schen Recht wol­len sie nun am 14.12. dem LG Ra­vens­burg er­tei­len. Das möch­te gern ein Schmer­zens­geld­ver­lan­gen man­gels Über­schrei­tung einer Ba­ga­tell­gren­ze ab­schmet­tern. Daran sieht es sich aber von der Ein­schät­zung ge­hin­dert, dass die na­tio­na­le Recht­spre­chung zu im­ma­te­ri­el­lem Scha­dens­er­satz bei Per­sön­lich­keits­rechts­ver­let­zun­gen nicht für die Aus­le­gung von Art. 82 DS-GVO her­an­ge­zo­gen wer­den kann.

Der Rechts­streit nahm sei­nen An­fang bei der ver­wei­ger­ten Zu­tei­lung von Bau­plät­zen. Die Klä­ger sto­ßen sich daran, dass die Ta­ges­ord­nung für die Ge­mein­de­rats­sit­zung im In­ter­net mit ihren Namen ver­öf­fent­licht wor­den war, eben­so eine nicht an­ony­mi­sier­te Ent­schei­dung des VG Sig­ma­rin­gen zu ihren Guns­ten. Doch die Lu­xem­bur­ger Rich­ter wer­den noch wei­te­re Ge­le­gen­hei­ten haben, An­fra­gen aus Deutsch­land zu be­ant­wor­ten. So liegt ein Vor­la­ge­be­schluss des BGH auf ihrem Tisch: Eine Nach­richt an einen Be­wer­ber für eine Stel­le bei ­einer Bank, in der seine Ge­halts­for­de­run­gen zurück­gewiesen wur­den, war auch an einen Ex-Kol­le­gen ge­schickt wor­den. Die Karls­ru­her Rich­ter wol­len wis­sen, ob „bloße ne­ga­ti­ve Ge­füh­le wie zum Bei­spiel Ärger, ­Unmut, Un­zu­frie­den­heit, Sorge und Angst, die an sich Teil des all­ge­mei­nen Le­bens­ri­si­kos und oft des täg­li­chen Er­le­bens sind“, für einen An­spruch auf einen fi­nan­zi­el­len Aus­gleich ge­nü­gen (GRUR-RS 2023, 30210). Und das BAG be­gehrt Auf­schluss, ob Op­fern einer il­le­ga­len Da­ten­ver­ar­bei­tung ein Scha­den „von ei­ni­gem Ge­wicht“ ent­stan­den sein muss, wenn sie ent­schä­digt wer­den wol­len. Hier hatte ein Ar­beit­ge­ber Ab­rech­nungs­da­ten im Per­so­nal-In­for­ma­ti­ons­ma­nage­ment­sys­tem „Work­day“ – und damit in der Cloud auf einem US-Ser­ver – ge­spei­chert (NZA 2023, 363).

Krank­mel­dung. Seit An­fang 2023 hat der „Gelbe Schein“ weit­ge­hend aus­ge­dient: Wer krank­ge­schrie­ben wird, muss zwar dem Ar­beit­ge­ber schleu­nigst seine Ver­hin­de­rung mit­tei­len. Doch dem wird das At­test nun auf Abruf elek­tro­nisch von der Kran­ken­kas­se über­mit­telt. Aus­nah­men blei­ben etwa für Pri­vat­pa­ti­en­ten. Doch wel­chen Be­weis­wert hat das State­ment des ­Mediziners, wenn sich ein Be­schäf­tig­ter nach Er­halt einer Kün­di­gung post­wen­dend un­päss­lich mel­det? Einen ge­rin­gen, so vor zwei Jah­ren das BAG (NJW 2022, 490). Am 13.12. wol­len die Er­fur­ter Rich­ter die eher um­ge­kehr­te Kon­stel­la­ti­on be­leuch­ten: Das LAG Nie­der­sach­sen hatte es in der Vor­in­stanz nicht ver­däch­tig ge­fun­den, dass sich zu­nächst der Mit­ar­bei­ter einen Atemwegs­infekt hatte be­schei­ni­gen las­sen und erst da­nach (wenn­gleich fast zeit­gleich) ent­las­sen wurde (NZA-RR 2023, 285).

Kanz­leik­lem­me. Vor dem BSG kämpft am 13.12. eine An­wäl­tin für ein hö­he­res Ar­beits­lo­sen­geld II für das halbe Jahr 2011. Bei einem mo­nat­li­chen Ein­kom­men von 162 Euro be­wil­lig­te ihr da­mals das Job­cen­ter 693 Euro (davon 378 Euro für Un­ter­kunft und Hei­zung). Aus­ga­ben für das Job­ti­cket woll­te es nicht als Be­triebs­aus­ga­ben an­er­ken­nen, ob­wohl die Ju­ris­tin es nach ei­ge­nen An­ga­ben nur für dienst­li­che Ter­mi­ne nutz­te – ihr pri­va­tes Um­feld könne sie zu Fuß er­rei­chen. Doch diese Aus­ga­ben sind laut LSG Ber­lin-Bran­den­burg durch den Grund­frei­be­trag von 100 Euro mo­nat­lich ab­ge­gol­ten, wenn das Mo­nats­ein­kom­men nicht 400 Euro über­steigt (§ 11b II SGB II). So auch der Pflicht­bei­trag fürs an­walt­li­che Ver­sor­gungs­werk von mo­nat­lich 109 Euro, da die­ses eine um­fang­rei­che­re Ver­sor­gung biete als die So­zi­al­ver­si­che­rung.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.