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Von Wirtschaftsauskunfteien hängt es meist ab, ob jemand einen Kredit oder einen Handyvertrag bekommt. Welche Daten und Algorithmen der Marktführer Schufa dabei nutzen darf, entscheidet der EuGH. Am BGH geht es um eine Gesetzesreform, die Wohnungseigentümern Umbauten für eine barrierefreie Nutzung durch Menschen mit Behinderungen erleichtert hat. Und auch sonst kocht die Justiz einen großen "Kessel Buntes".

30. Nov 2023

Wirtschaftsauskunftei. Rechte und Pflichten der Schufa will der EuGH am 7.12. abstecken. Zugrunde liegen drei Klagen, für die sich das VG Wiesbaden von den Luxemburger Richtern Wegweisungen erbeten hat. So verlangt ein Bürger, dem aufgrund seiner Einstufung durch die Auskunftei ein Kredit verweigert wurde, seinen Eintrag zu löschen und ihm außerdem genauere Auskunft über die gespeicherten Daten zu geben. Die Berechnungsmethode für die Score-Werte sei sein Geschäftsgeheimnis, kontert das Unternehmen, das zu hüten auch vor Manipulationen zulasten redlicher Bank- oder Handykunden schütze.

Generalanwalt Priit Pikamäe sah in seinen Schlussanträgen in der automatisierten Erstellung eines solchen Wahrscheinlichkeitswerts ein „Profiling“ im Sinne von Art. 22 DS-GVO. Diese Vorschrift gibt das Recht, „nicht einer ausschließlich auf einer automatisierten Verarbeitung — einschließlich Profiling — beruhenden Entscheidung unterworfen zu werden“ (freilich mit einigen Ausnahmen), so bei der Einschätzung, ob ein Verbraucher ein Darlehen zurückzahlen könne. Pikamäe meint: Ein solcher Datenverarbeiter müsse der betroffenen Person allgemeine Informationen übermitteln, „vor allem zu bei der Entscheidungsfindung berücksichtigten Fak­toren und deren Gewichtung auf aggregierter Ebene“, damit diese sich gegen das Ergebnis wehren könne. In den beiden anderen Prozessen wollen Verbraucher erreichen, dass die Schufa die Einträge über ihre Restschuldbefreiung bereits nach sechs Monaten löscht wie bei deren amtlicher Veröffentlichung im Internet und nicht erst nach drei Jahren. Pikamäe sieht dadurch das Ziel vereitelt, ihnen eine erneute Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen.

Barrierefreiheit. Mit der Reform des WEG wurde das Recht von Wohnungseigentümern gestärkt, Umbauten für eine Nutzung durch Menschen mit Behinderungen zu verlangen. Der BGH will am 8.12. auf dieser neuen Rechtsgrundlage über zwei Streitigkeiten entscheiden. Im einen Fall hatte die Eigentümerversammlung einen Antrag von (selbst körperlich nicht beeinträchtigten) Mitgliedern abgelehnt, außen am Treppenhaus des Hinterhauses einen Fahrstuhl zu errichten – auf eigene Kosten. Ihre Wohnungen befinden sich im dritten und vierten Obergeschoss des ehemaligen Gesindehauses, das eher schlicht gehalten ist, wohingegen das Vor­derhaus einen Fassadenpreis der Stadt München er­halten hat; die gesamte Jugendstilanlage steht unter Denkmalschutz. Das zweite Verfahren dreht sich um den Wunsch einer Miteignerin, ihre Erdgeschosswohnung um eine (laut Teilungserklärung an sich zulässige) Terrasse zu ergänzen – freilich mit einer Rampe als bar­rierefreiem Zugang. Hier stimmte die Eigentümerversammlung unter Berufung auf den neuen § 20 II WEG sogar zu. Die unterlegenen Kläger sehen hingegen wie zuvor auch AG Bonn und LG Köln einen Verstoß gegen § 20 IV WEG, der grundlegende Umgestaltungen einer Wohnanlage weiterhin ausschließt.

Ein Kessel Buntes. Auch sonst ist viel los in dieser ­Woche. Der EuGH befindet am 5.12. darüber, ob dem Immobilienkonzern Deutsche Wohnen SE bei einem Datenschutzverstoß ein Bußgeld auferlegt werden kann, auch wenn kein Verschulden einer konkreten Person feststellbar ist. Am 7.12. urteilen die Europarichter auf Vorlage des BAG über eine etwaige Altersdiskriminierung bei der Bewerbung um einen Job als Assistentin für eine behinderte Studentin (NJW-­aktuell H. 8/2022, 6). Die Erfurter Bundesarbeitsrichter befassen sich am 5.12. damit, wann bei einer konzerninter­nen Arbeitnehmerüberlassung ein faktisches Arbeitsverhältnis besteht und ob das Konzernprivileg in § 1 III Nr. 2 AÜG womöglich europarechtswidrig ist. Der BGH verkündet am 5.12. sein Verdikt zu Schadensersatzforderungen von Leasingnehmern gegen die Daimler AG wegen eines Lkw-Kartells. Der BFH verhandelt am selben Tag über die Besteuerung deutscher Equity Partner einer früheren Anwalts-LLP mit Geschäftsleitung in Kalifornien: Sie hatten im Jahr 2008 bis zu 1,2 Millionen Euro verdient und unter Hinweis auf das Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA (zunächst) den allergrößten Anteil der Vergütung dem Zugriff des deutschen Fiskus entziehen wollen.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.