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Unschuldig Opfer eines Autounfalls geworden und dennoch auf einem Teil der Reparaturkosten sitzengeblieben – so erging es gleich fünf Pkw-Haltern, über deren Fälle der BGH entscheidet. Juristen kennen den Zwist mit den Versicherern der Gegenseite unter dem Stichwort "Werkstattrisiko". Sein Urteil über die vorletzte Wahlrechtsreform verkündet das BVerfG – und gibt vielleicht auch Hinweise zur Verfassungsmäßigkeit der jüngsten Änderungen. Und das BVerwG prüft ein Innenstadt-Verbot für einen Hooligan.

23. Nov 2023

Werkstattrisiko. Wer unschuldig Opfer eines Verkehrsunfalls wird, kann vom Verursacher die Reparaturkosten für sein Fahrzeug verlangen. So weit, so gut. Doch was, wenn der Handwerksbetrieb (tatsächliche oder vermeintliche) Leistungen in Rechnung stellt, die der Haftpflichtversicherer des Gegners nicht erstatten will? Juristen kennen das Problem seit alters her unter dem Stichwort „Werkstattrisiko“. Am 28.11. will der BGH die einschlägige Lastenverteilung in gleich fünf verschiedenen Konstellationen klären. So sollte nach einem Zusammenstoß, bei dem die volle Haftung der verklagten Assekuranz unbestritten ist, die Geschädigte für die Reparatur ihres Pkw 3.000 Euro brutto zahlen – davon 1.165 Euro für Fremdleistungen einer Lackiererei. Auf Nachfrage rückte die Werkstatt deren Rechnung lediglich mit geschwärzten Beträgen heraus. Der Versicherer hielt daraufhin weitere Zahlungen zurück: Die angesetzten Kosten seien überhöht und die geltend gemachten Verbringungskosten unberechtigt.

Im zweiten Fall hatte das Unfallopfer sogar vorab ein Gutachten eingeholt. Die gegnerische Assekuranz weigerte sich dennoch, den Posten „Arbeitsplatzwechsel“ zu begleichen: Der habe nicht stattgefunden, weil die Werkstatt selbst über eine Lackiererei verfüge. Fall Nummer 3 zeichnet sich dadurch aus, dass der Kläger seinen Wagen in einem Autohaus instandsetzen ließ, der Haftpflichtversicherer jedoch nach Prüfung durch ein Drittunternehmen über 1.000 Euro nicht anerkannte. Im vierten Prozess hatte ein Sachverständiger vorab rund 9.000 Euro für die Wiederherstellung des Pkw veranschlagt – die Handwerksfirma verlangte knapp 12.000 Euro. Das Versicherungsunternehmen akzeptierte dies trotzdem weitgehend; bei circa 500 Euro habe es sich aber um überflüssige Arbeiten sowie eine zu lang bemessene Nutzungsausfallentschädigung gehandelt. Ein neueres Phänomen liegt dem letzten Rechtsstreit zugrunde: Der Reparaturbetrieb hatte eine Covid-19-Desinfektion berechnet. Die Vorinstanzen hielten das für begründet, wenngleich die geschädigte Halterin noch nicht gezahlt habe. Die Gegenseite macht demgegenüber geltend, die Maßnahme sei überhaupt nicht durchgeführt worden. Zudem habe die Frau die gesamte Abwicklung im Rahmen eines „Schadensservices aus einer Hand“ in die Hände der Werkstatt gelegt, so dass eine „subjektbezogene Schadensbetrachtung“ ausscheide. Danach wirkt sich zugunsten von Geschädigten aus, wenn ihre Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten beschränkt sind.

Urnengänge. Das Wahlrecht bewegt die Gemüter – nicht nur wegen steigender Umfrageergebnisse für die AfD und die Erosion der Linksfraktion im Bundestag durch den Aufbau eines konkurrierenden Wahlbündnisses ihrer langjährigen Vorkämpferin Sahra Wagenknecht. Das BVerfG verkündet am 29.11. sein Urteil zu einer Klage von Grünen, Linken und FDP gegen eine Reform durch die Große Koalition von 2020. Danach werden Überhangmandate nicht mehr vollständig ausgeglichen, die entstehen, wenn eine Partei in den Wahlkreisen mehr Sitze erringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Zugleich wurde eine begrenzte Möglichkeit geschaffen, Direktmandate mit Listenmandaten derselben Partei in einem anderen Bundesland zu verrechnen. Womöglich ergeben sich aus dem Richterspruch auch Hinweise auf Änderungen, die die Ampelkoalition seither zur Verkleinerung des Parlaments vorgenommen hat: Die Abschaffung der Klausel, nach der drei errungene Wahlkreismandate zum Einzug verhelfen, obwohl die Partei die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt, könnte die CSU treffen.

Hooligans. Durfte die Polizei einem Mann, den sie als „Capo“ der gewaltbereiten Fanszene einstufte, 2019 beim „Revierderby“ zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 das Betreten der Dortmunder Innenstadt verbieten? Das OVG Münster sah in der zeitlich und räumlich begrenzten Verfügung keinen gewichtigen Grundrechtseingriff, der ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse und damit einen Anspruch auf Einschreiten begründe (§ 113 I 4 VwGO). Das BVerwG will sich am 29.11. über die Revision beugen.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.