Werkstattrisiko. Wer unschuldig Opfer eines Verkehrsunfalls wird, kann vom Verursacher die Reparaturkosten für sein Fahrzeug verlangen. So weit, so gut. Doch was, wenn der Handwerksbetrieb (tatsächliche oder vermeintliche) Leistungen in Rechnung stellt, die der Haftpflichtversicherer des Gegners nicht erstatten will? Juristen kennen das Problem seit alters her unter dem Stichwort „Werkstattrisiko“. Am 28.11. will der BGH die einschlägige Lastenverteilung in gleich fünf verschiedenen Konstellationen klären. So sollte nach einem Zusammenstoß, bei dem die volle Haftung der verklagten Assekuranz unbestritten ist, die Geschädigte für die Reparatur ihres Pkw 3.000 Euro brutto zahlen – davon 1.165 Euro für Fremdleistungen einer Lackiererei. Auf Nachfrage rückte die Werkstatt deren Rechnung lediglich mit geschwärzten Beträgen heraus. Der Versicherer hielt daraufhin weitere Zahlungen zurück: Die angesetzten Kosten seien überhöht und die geltend gemachten Verbringungskosten unberechtigt.
Im zweiten Fall hatte das Unfallopfer sogar vorab ein Gutachten eingeholt. Die gegnerische Assekuranz weigerte sich dennoch, den Posten „Arbeitsplatzwechsel“ zu begleichen: Der habe nicht stattgefunden, weil die Werkstatt selbst über eine Lackiererei verfüge. Fall Nummer 3 zeichnet sich dadurch aus, dass der Kläger seinen Wagen in einem Autohaus instandsetzen ließ, der Haftpflichtversicherer jedoch nach Prüfung durch ein Drittunternehmen über 1.000 Euro nicht anerkannte. Im vierten Prozess hatte ein Sachverständiger vorab rund 9.000 Euro für die Wiederherstellung des Pkw veranschlagt – die Handwerksfirma verlangte knapp 12.000 Euro. Das Versicherungsunternehmen akzeptierte dies trotzdem weitgehend; bei circa 500 Euro habe es sich aber um überflüssige Arbeiten sowie eine zu lang bemessene Nutzungsausfallentschädigung gehandelt. Ein neueres Phänomen liegt dem letzten Rechtsstreit zugrunde: Der Reparaturbetrieb hatte eine Covid-19-Desinfektion berechnet. Die Vorinstanzen hielten das für begründet, wenngleich die geschädigte Halterin noch nicht gezahlt habe. Die Gegenseite macht demgegenüber geltend, die Maßnahme sei überhaupt nicht durchgeführt worden. Zudem habe die Frau die gesamte Abwicklung im Rahmen eines „Schadensservices aus einer Hand“ in die Hände der Werkstatt gelegt, so dass eine „subjektbezogene Schadensbetrachtung“ ausscheide. Danach wirkt sich zugunsten von Geschädigten aus, wenn ihre Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten beschränkt sind.