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Die Termine der 46. Kalenderwoche
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Der Solidaritätszuschlag, der bereits 1991 nach der Wiedervereinigung eingeführt wurde, wird immer noch erhoben – mittlerweile allerdings nur noch von einem Bruchteil der Steuerzahler. Dennoch haben FDP-Abgeordnete dagegen vor dem BVerfG geklagt, das nun darüber verhandelt. Der BGH nutzt erstmals das neue "Leitentscheidungsverfahren" und klärt, ob Facebook unter Verstoß gegen die DS-GVO das Abgreifen von Nutzerdaten durch Dritte ("Scraping") ermöglicht hat. Vor dem BVerwG geht es um eine angeblich zu lange Prozessdauer, am BSG um einen zeitweise insolventen Klinikkonzern.

6. Nov 2024

Betagter Obolus. Als der Solidaritätszuschlag 1991 eingeführt wurde, war er zunächst auf ein Jahr beschränkt. Der Aufschlag auf Einkommen- und Körperschaftsteuer sollte unter anderem dabei helfen, die Kosten der Wiedervereinigung zu schultern. Doch 1995 wurde er von der damaligen schwarz-gelben ­Koalition unter Helmut Kohl (CDU) aufs Neue beschlossen – diesmal unbefristet. Das große schwarz-rote Bündnis unter Angela Merkel (CDU) sorgte schließlich dafür, dass seit 2021 die Freigrenze drastisch auf nunmehr 18.130 EUR (zusammen veranlagte Ehepaare: 36.260 EUR) angehoben wurde (§ 3 SolZG 1995). Dadurch sollten rund 90 % der Zahler von Einkommen- bzw. Lohnsteuer gar nicht mehr mit dem Obolus von 5,5 % belastet werden, weitere 6,5 % mit Einkünften in der gestaffelten Milderungszone in geringerem Maße (sie reicht von der Freigrenze bis 33.710 bzw. 67.421 EUR). Nur noch besonders gut Verdienende und Kapitalgesellschaften wie GmbHs und AGs, aber auch etwa Vereine und Stiftungen müssen den Solidaritätszuschlag weiterhin ungeschmälert zahlen; ebenso Be­zieher von Kapitalerträgen oberhalb des Sparerpauschbetrags zusätzlich zur Abgeltungsteuer.

Über die verbleibende „Soli“-Pflicht verhandelt das BVerfG am 12.11. anlässlich einer Verfassungsbeschwerde, die sechs FDP-Abgeordnete eingereicht ­haben, als sie noch die Oppositionsbank drückten. Sie argumentieren, dass die weitere Erhebung des ursprünglich mit dem Aufpeppen der neuen Bundesländer begründeten Zuschlags mit Auslaufen des „Solidarpakts II“ Ende 2019 verfassungswidrig geworden sei. Zusätzlich rügen sie die Ungleichbehandlung verschiedener Einkommensbezieher durch das „Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags“ von 1995.

Scraping. Neuer Versuch: Am 11.11. will der BGH über einen etwaigen Datenschutz-Verstoß beim sozialen Netzwerk Facebook verhandeln – nun sogar als Leitentscheidungsverfahren; es ist sogar das Erste seit Inkrafttreten des Gesetzes zu dessen Einführung. Es geht um das „Scraping“: Gemeint ist das händische oder automatisierte Auslesen fremder Daten im Internet, um sie dann für eigene Zwecke zu verwenden. Am 8.10. wollte der VI. Zivil­senat bereits zu zwei Klagen dagegen tagen (NJW-aktuell H. 41/2024, 6). Doch im letzten Moment ­machten die beiden Nutzer einen Rückzieher. Sie hatten dem Netzwerk mangelnde Sicherheitsmaßnahmen und somit einen Verstoß gegen die DS-GVO vorgeworfen. Nun verlangten sie immateriellen Schadensersatz, weil sie „Ängste, Stress, Komfort- und Zeiteinbußen“ bzw. einen „erheblichen Kontrollverlust“ erlitten hätten. Er verbleibe „in einem Zustand großen Unwohlseins und großer Sorge“, ergänzte einer, zumal die Informationen über ihn in einem Hacker-Forum im Darknet gelandet seien. Wie in solchen Fällen üblich, machten die Karlsruher Richter zur plötzlichen Absage des Oktober-Termins keine weiteren Angaben. Oft steckt eine „Flucht in die Revisionsrücknahme“ dahinter, verbunden mit einer Schweigeverpflichtung (Non-disclosure agreement – NDA) – dann nämlich, wenn etwa Banken oder Versicherer einen für ihre Branche ungünstigen Ausgang fürchten. In den beiden nun angesetzten Streitigkeiten stellten sich in rechtlicher Hinsicht vergleichbare Fragen wie in den ursprünglich vorgesehenen Fällen, schreiben die Karlsruher Richter. 2021 waren Daten von 533 Mio. Facebook-Nutzern im Web verbreitet worden, allerdings nur bei individuellen Suchbarkeits-Einstellungen, die das ermöglichten.

Und sonst? Das BVerwG befindet am 14.11. über den Wunsch von drei Bezirkspersonalräten bei der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Bundesagentur für Arbeit, sich eine unangemessene Dauer ihrer Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in erster und zweiter Instanz bescheinigen zu lassen. Ein solcher Anspruch könnte sich aus § 198 GVG ergeben. Das BSG hat es am selben Tag in zwei Verfahren mit einem zeitweise insolventen Klinikkonzern aus Niedersachsen zu tun, der in Eigenverwaltung weiter wirtschaften durfte. Die Kasseler Richter müssen anhand der §§ 96 I Nr. 3, 259 III und 280 InsO abstecken, wie weit die Befugnisse des Sachwalters bei Zwistigkeiten mit Krankenkassen reichen.

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Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.