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Die Termine der 46. Kalenderwoche
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Mammutprogramm am Europäischen Gerichtshof: Die Luxemburger Richter wollen Urteile zu sauberer Luft, Verbraucher- und Datenschutz verkünden. Am Bundesverwaltungsgericht geht es um das Kopftuch einer muslimischen Rechtsreferendarin. Und um einen Polizisten, der trotz mutmaßlicher Dienstfähigkeit seit 13 Jahren nicht mehr zur Arbeit gekommen, aber einer unerlaubten Nebentätigkeit nachgegangen ist.

5. Nov 2020

Dicke Luft. Der EuGH hat Anfang November eine kleine Verhandlungspause gemacht – nun aber legen die Luxemburger Richter wieder kräftig los. So geht es am 10.11. um Feinstaub in Italien, über dessen Bekämpfung sie ein Urteil verkünden wollen. Die EU- Kommission hatte das Stiefelland wegen hoher Werte in diversen Metropolen verklagt – so in Rom, Mailand, Neapel, Palermo, Turin, Venedig und Verona. Die Tages-bzw. Jahresgrenzwerte in 28 Luftqualitätsgebieten würden systematisch und dauernd überschritten, rügten die Brüsseler Vertragshüter. Insgesamt hat die Kommission gegen mehr als die Hälfte der Mitgliedsländer deshalb Verfahren in Gang gesetzt. In fast genauso vielen Fällen hat sie Schritte wegen zu viel Stickstoffdioxid in der Luft eingeleitet. Beidemal hat sie auch Deutschland ins Visier genommen.

Kontaklose Zahlungen. Am Tag darauf entscheiden die Europarichter über Risiken beim kontaktlosen Bezahlen kleinerer Beträge. Plastikkarten, die nur vor ein Lesegerät gehalten werden müssen und dem Kunden die Eingabe einer PIN ersparen, verbreiten sich rasant. Österreichs Verbraucherschützer bemängeln, dass die DenizBank mit diversen Klauseln in ihren AGBs ihre Haftung für Missbräuche ausschließen will. Generalanwalt Campos Sánchez-Bordona hat in seinen Schlussanträgen deutlich gemacht, dass er dies für unzulässig hält: Die Zahlung eines Kleinbetrags mit der Nahfeldkommunikationsfunktion (NFC) einer personalisierten multifunktionalen Zahlungskarte stelle eine „anonyme“ Nutzung eines Zahlungsinstruments im Sinne der Zahlungsdienste-Richtlinie dar. Die an sich bestehende Möglichkeit einer stillschweigenden Zustimmung zu Änderungen der Bedingungen eines Rahmenvertrags gelte nicht für eine solche Modifikation seiner wesentlichen Bestandteile.

Mühsamer Widerspruch. Und gleich noch einmal richten sich am 11.11. die Blicke nach Luxemburg, denn dann fällt ein Verdikt zum Datenschutz. Angefragt hat das Landgericht Bukarest: Wer in einer Geschäftsstelle der rumänischen Tochtergesellschaft von Orange einen Mobilfunkvertrag abschließen wollte, musste sich auf dem Formular handschriftlich dagegen verwahren, dass von seinem Ausweis eine Kopie angefertigt und aufbewahrt wird. Die Datenschützer des Landes haben ein Bußgeld verhängt, weil sie eine wirksame Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten vermissen. So sieht das auch Generalanwalt Maciej Szpunar in seinem Gutachten: Wenn es laut EuGH schon zu hohe Anforderungen an den Kunden stelle, ein in einem Ankreuzkästchen auf einer Webseite voreingestelltes Häkchen zu entfernen, könne von einem Kunden erst recht nicht erwartet werden, seine Verweigerung durch einen eigenhändigen Vermerk zu erklären.

Hinderliches Kopftuch. Aber auch die obersten Bundesgerichte in Deutschland haben einige (wenige) Termine angekündigt. So befasst sich das BVerwG am 12.11. mit dem Kopftuch für eine Rechtsreferendarin. Im Vordergrund steht eine prozessuale Frage: Wie weit verpflichtet die EU-Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG die Mitgliedstaaten dazu, vermeintlich oder tatsächlich diskriminierten Personen einen Rechtsweg zu eröffnen – selbst wenn das betreffende Rechtsverhältnis bereits beendet ist? Die muslimische Klägerin hatte in ihrer Strafrechtsstation in Bayern wegen ihrer Kopfbedeckung einmal im Zuschauerraum statt am Richtertisch Platz nehmen müssen.

Fernbleiben vom Dienst. Am selben Tag wollen die Leipziger Richter klären, ob ein Beamter wegen unerlaubten Fernbleibens vom Dienst nur bei Vorsatz entlassen werden kann. Kläger ist ein Polizist, der nicht bloß einer unerlaubten gewerblichen Nebentätigkeit nachgegangen war, sondern auch seit 2007 nicht mehr am Arbeitsplatz erschienen ist – obwohl ihn der Polizeiarzt für dienstfähig hält.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung.