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Die Termine der 45. Kalenderwoche
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In dieser Woche ist viel los in der Juristenwelt. So verhandelt das Bundesverfassungsgericht über eine Klage aus den Reihen der AfD auf einen Vizepräsidenten-Posten im Bundestag. Das Bundesarbeitsgericht klärt, ob Fahrradkuriere Anspruch auf ein Zweirad nebst Smartphone haben. Ob eine Entschädigung für die unangemessene Dauer seines Gerichtsverfahrens auf Leistungen vom Jobcenter anzurechnen ist, entscheidet das Bundessozialgericht. Außerdem: Vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es um die Baugenehmigung für ein Bordell, vor dem Bundesgerichtshof um die Pflicht zur Wärmedämmung von Bestandsbauten – und die Justizminister schmieden Gesetzespläne.

Prof. Dr. Joachim Jahn ist Mitglied der NJW-Schriftleitung, 4. Nov 2021.

Vizepräsidenten. In der vergangenen Wahlperiode ist die AfD mit sämtlichen Anläufen gescheitert, einen Abgeordneten aus ihrer Fraktion zu einem der Vizepräsidenten des Bundestags wählen zu lassen. Über ein Organstreitverfahren hiergegen verhandelt am 10.11. das BVerfG. Wenn dann später das Urteil gesprochen wird, könnte dieses wichtige Fingerzeige für die Besetzung dieser Posten im neu gewählten Parlament beinhalten – worauf auch die Tatsache hindeutet, dass das Gericht der Klage (anders als bei der „Bundesnotbremse“) eine Verhandlung widmet. Allerdings weist das Verfahren eine Besonderheit auf: Der Antragsteller in Karlsruhe ist ein einzelner AfD-Mandatsträger, der vergeblich versucht hatte, selbst einen Alternativkandidaten aus seinen Reihen zur Abstimmung zu stellen.

Fahrradkurier. Spätestens seit der Corona-Pandemie sind sie aus dem Straßenbild nicht mehr wegzudenken: Fahrradkuriere, die Essen an Privatkunden ausliefern. Das BAG entscheidet am 10.11. über zwei Klagen solcher vielfach als ausgebeutet angesehenen Zweiradstrampler, die von ihrem Arbeitgeber ein internetfähiges Mobiltelefon nebst Datennutzungsvertrag bzw. ein verkehrstüchtiges Fahrrad verlangen. Die Einsatzpläne und Adressen von Restaurants und Kunden erhalten sie per App auf ihrem privaten Mobiltelefon, was bis zu 2 GB Datenvolumen pro Monat fresse. Im Gegensatz zum ArbG Frankfurt a. M. gab das LAG Hessen den beiden recht: Dass ein Arbeitgeber die für die Erbringung der Arbeitsleistung notwendigen Betriebsmittel zur Verfügung zu stellen habe, lasse sich nicht durch AGB ausschließen – zumal bei Fahrradlieferanten dieses „Vermögensopfer“ durchaus ins Gewicht falle.

Anrechnung. Wer eine unangemessene Dauer seines Gerichtsverfahrens erdulden musste, hat Anspruch auf eine Entschädigung (§ 198 GVG). Doch die wollte das Jobcenter in zwei Fällen, über die am 11.11. das BSG verhandelt, auf seine Leistungen anrechnen. Geklagt hat eine Frau, die mit ihrem pflegebedürftigen Mann in einer Bedarfsgemeinschaft zusammenlebt. Nach einem 21-monatigen Prozess vor dem SG Hildesheim um Kosten für Unterkunft und Heizung hatten sie jeweils einen niedrigen vierstelligen Betrag vom Land Niedersachsen für die überlange Verfahrensdauer erhalten. Das LSG Niedersachsen-Bremen billigte im Gegensatz zur Vorinstanz die Leistungskürzung, weil die GVG-Entschädigung unter keine der Ausnahmen im SGB II für nicht zu berücksichtigendes Einkommen falle.

Bordell. Um die Erteilung einer Baugenehmigung für den „Betrieb einer prostitutiven Einrichtung“ wird am 9.11. vor dem BVerwG gekämpft. Das Berliner Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf hatte die Genehmigung abgelehnt, weil das Vorhaben in einem Misch­gebiet liege und typisierenderweise nicht mit der dort zulässigen Wohnnutzung vereinbar sei.

Wärmedämmung. Nicht nur um einen Nachbarschaftsstreit aus Köln geht es am 12.11. vor dem BGH. Das Urteil muss zudem klären, ob auch Bundesländer Regelungen erlassen dürfen, die eine grenzüberschreitende nachträgliche Wärmedämmung von Bestandsbauten erlauben. Verhandelt hat der V. Zivilsenat darüber bereits im Oktober (NJW-aktuell H. 41/2021, 6).

Rechtspolitik. Zur Herbstkonferenz treffen sich am 11. und 12.11. die Justizminister der Länder; die Bundesjustizministerin nimmt üblicherweise als Gast teil. Auf der Tagesordnung stehen etwa eine Pflichtver­sicherung für Elementarschäden nach der jüngsten Hochwasserkatastrophe, eine Verlängerung des Pakts für den Rechtsstaat, die Bewältigung von Massenverfahren auch an den Arbeitsgerichten, Nachhaltigkeit im Zivilrecht (etwa durch eine Stärkung des Rechts auf ­Reparatur) sowie die Vorauswahlliste für Insolvenz­verwalter.